Verborgene Macht
und umsteht?«
»Unstet.«
»Raus damit, Cassie Bell!«
Cassie gab sich geschlagen. Sie tappte zu Isabella hinüber und ließ sich auf deren Bett fallen. »Erinnerst du dich an das, was ich dir im letzten Trimester über Keiko und Alice erzählt habe? Dass Keiko irgendwie von Alice getrunken hat? Na ja, so halten die Auserwählten sich am Leben.« Sie seufzte kläglich und versuchte, Isabellas Blick auszuweichen. »Sie entziehen jemandem, der kein Auserwählter ist, Lebensenergie. Und anscheinend werde ich das ebenfalls tun müssen, um mich zu nähren ...« Cassies Stimme verlor sich. Sie brachte es nicht übers Herz, weiterzusprechen, geschweige denn ihrer Freundin in die Augen zu sehen oder die Frage laut zu stellen.
Isabella antwortete nicht. Vielleicht, überlegte Cassie, erinnerte sie sich an Cassies schreckliche Beschreibung dessen, was sie beobachtet hatte: Keiko, die ihrer hilflosen Mitbewohnerin das Leben aussaugte. Oder dass die Schwester von Isabellas Freund ausgeleert und vertrocknet gefunden worden war...
Die Luft schien vor Spannung zu knistern, während das Schweigen sich immer weiter in die Länge zog. Aber Cassie brachte es nicht über sich, aufzublicken und das Grauen und den Abscheu auf Isabellas Gesicht zu sehen. Jeden Augenblick würde jetzt alles vorbei sein. Isabella würde den Raum verlassen. Sie würde zu Sir Alric gehen und eine neue Mitbewohnerin verlangen. Natürlich würde sie sagen, dass sie nach wie vor Freunde sein würden, aber sie würde niemals ganz vergessen, um was Cassie sie gebeten hat. Sie würde niemals ganz verzeihen ...
»Okay.«
»Was?« Cassie war sich nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte.
»Ich habe gesagt, okay. Du wirst dich von mir nähren.« Als Isabella Cassies ungläubige Miene sah, wedelte sie mit den Händen. »Hör mal, ich sage nicht, dass das die ideale Lösung ist. Eines steht fest, ich hatte eine ganz andere Meinung von den Auserwählten, bevor ich von all- dem Wahnsinn erfahren habe, der damit zusammenhängt. Aber eins weiß ich mit Bestimmtheit: Nämlich dass du nicht wie Keiko bist. Du bist kein bisschen wie sie. Sie war wahnsinnig. Du dagegen«, Isabella grinste, »na ja, du hast deine Momente. Aber du bist meine beste Freundin, Cassie Bell. Wenn es das ist, was du brauchst, dann ist es das, was wir tun müssen.«
Cassie konnte sie nur anstarren. »Isa...«
Isabella hob eine Hand und ließ sie nicht ausreden. »Moment. Alice wusste nicht, was Keiko tat, oder?«
»Nein.« Cassie zupfte an einem abgekauten Fingernagel. »Die Auserwählten haben ein spezielles Getränk, durch das der Mitbewohner alles vergisst. Sie halten das für netter.«
Cassie zwang sich, in Isabellas Gesicht zu blicken, aber dort stand kein Ekel. Sie nickte, eindringlich und ernst.
»Trotzdem willst du mich nicht hintergehen, Cassie. Du hast mir alles erzählt, und das beweist, dass du mir vertraust. Danke. Also werde ich auch ehrlich zu dir sein, denn ich vertraue dir ebenfalls.« Isabella hob warnend einen Finger. »Du darfst mir dieses Getränk niemals geben. Ich will niemals überlistet oder belogen werden.«
»Isabella, ich weiß nicht...«
»Cassie, du brauchst Nahrung. Das ist offensichtlich. Es ist der Grund, warum Sir Alric sich solche Sorgen um dich macht, ja?« Isabella ergriff Cassies Hände.
»Er - ja. Er sagte, er werde mich unterrichten, uns zeigen, wie es gefahrlos geht.«
»Na ja, Sir Alric ist ein guter Mann. Er weiß, was notwendig ist und was gefährlich ist und was nicht. Keine Sorge, Cassie.« Isabellas Lächeln war zurückhaltend, aber aufrichtig. »Er wird uns zeigen, wie man es richtig macht, und dann wird alles gut werden. Ich werde deine ... wie nennst du das?«
Cassie schluckte. »Meine Lebensquelle. Aber warte, Isabella. Was ist mit Jake? Er wird dir das niemals erlauben.«
»Jake ist nicht mein Boss, er ist mein Freund«, erklärte Isabella naserümpfend. »Du hast recht, es wird ihm nicht gefallen, aber es ist meine Entscheidung. Ich bin nicht Jessica und du bist nicht Keiko. Außerdem, was er nicht weiß, wird ihm nicht wehtun.«
»Du kannst das nicht vor ihm geheim halten, Isabella.«
»Warum nicht? Ein Mädchen hat ein Recht auf ein paar Geheimnisse«, erwiderte Isabella, und ihre dunklen Augen blitzten. »Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, werde ich es ihm erzählen. Er wird es verstehen.«
Cassie starrte ihre Mitbewohnerin an. War das nicht die perfekte Lösung? Sie war ehrlich zu Isabella gewesen und Isabella hatte
Weitere Kostenlose Bücher