Verbotene Früchte im Frühling
soll. Versuch einfach zu raten!“
„Ich habe keine Ahnung“, meinte Lillian. „Es gibt niemanden, den Vater mag.“
„O doch, den gibt es“, erwiderte Daisy geheimnisvoll. „Es gibt einen Menschen auf der Welt, den Vater hundertprozentig mag!“
Jetzt sah selbst Westcliff interessiert aus. „Ist es jemand, den ich kenne?“
„Sie werden ihn bald kennenlernen“, sagte Daisy. „Vater hat nach ihm geschickt. Nächste Woche wird er auf dem Landsitz in Hampshire eintreffen, um an der Hirschjagd teilzunehmen.“
Im Geiste ging Westcliff die Namen durch, bei denen Thomas Bowman ihn gebeten hatte, sie auf die Gästeliste für die Frühjahrsjagd zu setzen. „Der Amerikaner?“, fragte er schließlich. „Mr. Matthew Swift?“
„Genau der.“
Lillian starrte Daisy schweigend an. Dann presste sie ihr Gesicht mit einem Aufschrei an Westcliffs Schulter.
Zuerst fürchtete Daisy, dass ihre Schwester weinte, doch dann erkannte sie, dass Lillian haltlos kicherte. „Nein … also wirklich … wie lächerlich … das kann nicht dein Ernst sein … du kannst doch unmöglich …“
„Du würdest es nicht halb so witzig finden, wenn du es wärst, die ihn heiraten soll“, meinte Daisy und runzelte die Stirn.
Westcliff blickte von einer Schwester zur anderen. „Was stimmt denn nicht mit Mr. Swift? Nach allem, was euer Vater mir erzählt hat, scheint er ein ganz respektabler Mann zu sein.“
„Nichts stimmt mit ihm“, sagte Lillian und lachte noch einmal laut auf.
„Aber euer Vater schätzt ihn“, entgegnete Westcliff.
„Oh“, sagte Lillian höhnisch, „es schmeichelt Vaters Eitelkeit, wie Mr. Swift sich bemüht, ihm in allem nachzueifern, und an seinen Lippen hängt.“
Über diese Worte dachte der Earl nach, während er mehr Zitroneneis auf den Löffel nahm und an Lillians Lippen führte.
Als die kalte Flüssigkeit ihr durch die Kehle rann, seufzte sie vor Vergnügen.
„Irrt sich denn euer Vater, wenn er sagt, Mr. Swift sei intelligent?“, fragte Westcliff an Daisy gewandt.
„Er ist intelligent“, räumte sie ein. „Aber man kann sich nicht mit ihm unterhalten. Er fragt einen tausend Dinge und saugt alle Informationen förmlich in sich auf, aber er gibt nichts zurück.“
„Vielleicht ist er schüchtern“, meinte Westcliff.
Jetzt musste Daisy lachen. „Ich versichere Ihnen, Mylord, Mr. Swift ist keineswegs schüchtern. Er ist…“ Sie verstummte, denn es fiel ihr schwer, ihre Gefühle in Worte zu fassen.
Matthew Swifts durch und durch kühle Wesensart wurde begleitet von einem unerträglichen Hochmut. Niemals konnte man ihm etwas Neues mitteilen – immer wusste er alles schon. Da Daisy in einer Familie voller unnachgiebiger Persönlichkeiten aufgewachsen war, hatte sie keine Verwendung für noch einen steifen, abweisenden Menschen in ihrem Leben.
Ihrer Meinung nach sprach es nicht gerade für Mr. Matthew Swift, dass er den Bowmans so ähnlich war.
Vielleicht wäre Matthew Swift erträglicher gewesen, hätte er irgendetwas Charmantes oder Attraktives an sich gehabt. Aber er war mit keiner einzigen anziehenden Eigenschaft in Charakter oder Aussehen beschenkt worden, die einen vielleicht versöhnlich gestimmt hätte. Keinen Sinn für Humor, keine sichtbaren Anzeichen für Freundlichkeit. Er sah von Kopf bis Fuß unschön aus: groß und unproportioniert, dabei so sehnig, dass seine Arme und Beine nur aus Draht zu bestehen schienen. Sie dachte daran, wie sein Überrock von seinen breiten Schultern herabzuhängen pflegte, als wäre er darunter leer.
„Statt all die Dinge aufzulisten, die ich an ihm nicht mag“, sagte Daisy endlich, „ist es wesentlich leichter zu sagen, dass es keinen Grund gibt, warum ich ihn mögen sollte.“
„Er sieht nicht einmal gut aus“, fügte Lillian hinzu. „Er besteht nur aus Haut und Knochen.“ Sie tätschelte Westcliffs breite Brust, ein stummes Loblied auf seine muskulöse Erscheinung.
Westcliff lächelte belustigt. „Besitzt Matthew Swift denn wirklich keine einzige einnehmende Eigenschaft?“
Beide Schwestern dachten über diese Frage nach. „Er hat schöne Zähne“, meinte Daisy dann widerstrebend.
„Woher willst du das wissen?“, fragte Lillian. „Er lächelt ja niemals.“
„Eure Urteile sind sehr niederschmetternd“, meinte Westcliff. „Aber vielleicht hat Mr. Swift sich verändert, seit ihr ihn das letzte Mal gesehen habt.“
„Er kann sich nicht so sehr verändert haben, dass ich es je erwägen würde, ihn zu
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