Verbotene Gefuehle
praktisch ein Doppelleben. Vor ihnen gab sie die brave Zirkelhexe, die sich nur dann und wann einen kleinen Ausreißer aus der Routine vergönnte. Aber hinter ihrem Rücken hatte sie sich ein kleines Stück Freiheit geschaffen. Sie traf sich in den Nachbarstädten mit Männern, manchmal hielt so eine lockere Beziehung sogar einige Monate, bis es selbst dem gutmütigsten zu viel wurde, und er darauf bestand, ihre Familie kennenzulernen. Aber eigentlich war ihr in den vergangenen Monaten die Lust auf solche lockeren Sachen vergangen, Jess und Lukas Glück vor Augen, war weniger als das einfach nur unbefriedigend. Sie schüttelte sich, um ihren Kopf freizubekommen, egal wie deprimierend ihr Leben, und wie grauenerregend diese Visionen auch waren, sie hatte keine Lust sich deswegen auch noch die Hysterie ihrer Eltern anzuhören. Die waren schon wegen der Sache mit Jess aus dem Häuschen gewesen, und hatten ihr praktisch Haussarest verpasst. Nicht, dass sie den nicht sabotiert hätte, sobald die beiden geschlafen hatten. Aber jetzt war bald Weihnachten, und sie hatten sich gerade ein wenig beruhigt, heute hatten sie zur Beendigung von Annas Haussarest sogar ein feierliches Abendessen angekündigt. Da würde sie den Teufel tun und sie mit Weltuntergangsszenarien wieder in Aufregung versetzten.
Einige Stunden später
Anna saß an ihrem Platz am Tisch und wartete, bis ihre Mutter das Essen auftrug. Da ihr Versuch Hilfe anzubieten mit einer gebieterischen Handbewegung ihrer Mutter beendet worden war, lies sie sich nun eben bedienen. Ihr Vater saß ihr gegenüber und musterte sie ernst, sie bemühte sich feierlich zu wirken, malte sich in Gedanken aber schon aus was sie nach dem Ende ihres „Haussarestes“ heute tun würde. Sie musste nur noch das Essen und die abschließende Predigt durchstehen, dann war sie endlich wieder offiziell frei.
Nachdem ihre Mutter alle drei Gänge der Reihe nach gebracht hatte, und alles verspeist worden war, brachte sie jetzt das edle Kristall, und ihr Vater erhob sich, um den Wein, den er zuvor aus dem Keller geholt hatte einzugießen. Der Mittfünfziger, von dem Anna ihren großen schlanken Wuchs geerbt hatte, erhob sein Glas, prostete ihnen zu und begann nun feierlich zu sprechen: „Anna, du weißt, dass du im Herbst etwas Falsches getan hast, aber du hast deine Strafe abgebüßt“, „denkst du“, dachte Anna ironisch, „und ich freue mich, dir neben deiner Freiheit auch noch eine freudige Botschaft überbringen zu können.“ Bei Anna begannen in diesem Moment sämtliche Alarmglocken zu schrillen, Wein plus freudige Nachricht für ihren Vater ergab vermutlich sehr viel Ärger für sie. „Welche freudige Nachricht denn?“, fragte sie, griff nach ihrem Weinglas und nahm einen Schluck, um ihre Nerven zu beruhigen. Ihr Vater strahlte sie mit seinen blauen Augen an, „du wirst heiraten mein liebes Kind.“ Anna keuchte auf, verschluckte sich dabei am Wein und begann qualvoll zu husten. Ihre Mutter sprang auf und eilte zu ihr, um ihr auf den Rücken zu klopfen. Anna, die zum Glück inzwischen wieder Luft bekam, schüttelte sie ab, sprang nun selbst auf und fauchte: „Das ist nicht dein Ernst.“ Die feierliche Miene ihres Vaters war einem strengen Gesicht gewichen, „Wir haben dir mehr als genug Freiheiten gelassen, es wird Zeit, dass du deine Pflicht tust. Du bist jetzt dreißig, hast aber, wie wir im Herbst gesehen haben, immer noch nur Flausen im Kopf, das muss jetzt aufhören. Wir haben schon vor Jahren eine Abmachung getroffen, du wirst David Namarra heiraten, den Sohn des Zirkelherrn.“ „Hallo, willkommen im einundzwanzigsten Jahrhundert, arrangierte Ehen kommen im westlichen Kulturkreis nicht mehr vor“, protestierte sie lautstark, sie fühlte sich, als ob ihr Kopf gleich explodieren würde, so wütend war sie. Sie hatte auf so viele Dinge verzichtet, aus Liebe zu ihren Eltern und der Magie, aber das war nur noch absurd. „Bei uns Hexen sehr wohl, und das ist auch notwendig, du weißt sehr gut, nur wenn du deine Kinder mit einem Hexer zeugst, werden sie vollwertige Hexer oder Hexen, als unser einziges Kind hast du die Pflicht unser Blut weiterzugeben.“ Sie schnappte: „Habe ich euch vielleicht verboten noch mehr kleine Hexen in die Welt zu setzen.“ Ein Aufschluchzen ihrer Mutter lies Anna herumfahren, die kleine etwas mollige aber immer noch sehr hübsche Frau schniefte: „Mach deinem Vater keine Vorwürfe, das ist meine Schuld, nach dir bin konnte ich keine
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