Verbotene Lust
diesen perversen Praktiken verführt habe. Warum Blut geflossen sei und wie viel.
Er hatte ehrlich geantwortet. Und ihn hatte die Abscheu im Blick der beiden Kriminalbeamten geängstigt. Sie hielten ihn tatsächlich für einen Perversling, der Frauen gegen ihren Willen nahm. Er hatte irgendwann den Versuch aufgegeben, ihnen zu erklären, was BDSM war.
Wohin sollte er jetzt?
Zu Sonja.
Er zog sein Handy aus der Hosentasche und wählte ihre Nummer. Ihre Mailbox sprang an. Er fluchte, versuchte es erneut. Nichts. Wieder nur die blecherne Stimme ihrer Mailbox, die stoisch ihre Nummer herunterbetete. Er legte auf und stand einen Moment nachdenklich in der Kälte. Der Schnee deckte alles zu.
Sie konnte eigentlich nur in Hamburg sein. Wenn nicht in der Wohnung, dann war sie bei Freunden.
Er sollte sich ein Hotelzimmer suchen. Schlafen. Morgen irgendwie versuchen, die Sache in Angriff zu nehmen. Sich auf eigene Faust auf die Suche nach Marlene machen. Ricarda. Wie zum Teufel sie auch heißen mochte.
Etwas war gründlich schiefgelaufen. Und irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass es nicht an der gemeinsam mit Marlene verbrachten Nacht lag, sondern andere Gründe hatte.
Dennoch war es untrennbar mit ihm verbunden. Er musste nur noch herausfinden, warum das passiert war. Irgendwie.
Er drehte sich im Kreis.
Das Hotel, in dem er schließlich ein Zimmer nahm, war altmodisch, aber sauber. Einen Moment lang stand er ratlos zwischen dem wuchtigen Ehebett auf der einen Seite und dem Schrank aus den Siebzigern auf der anderen. Der Geruch nach Möbelpolitur biss in der Nase, und als er das fensterlose winzige Badezimmer betrat, begrüßte ihn im gelben Licht der nackten Glühbirne unter der Decke ein grüner Fliesenspiegel. Er schaute sich nur kurz um, ehe er das Licht wieder löschte.
Er fiel aufs Bett und zog die Decke über sich. Wenn er bloß wüsste, was er übersehen hatte! Wenn ihm nur einfiele, warum die Polizeibeamten glaubten, auch ihre Hamburger Wohnung durchsuchen zu müssen …
Und wenn er nur endlich mit Sonja reden könnte. Es zerriss ihm das Herz, wenn er sich überlegte, dass sie vermutlich bei Freunden untergeschlüpft war – was erhoffte – oder in einem ähnlich schäbigen Hotelzimmer versuchte, Schlaf zu finden.
Morgen musste er endlich handeln. Er hatte das ungute Gefühl, dass er nicht Täter, sondern Opfer war in diesem Spiel.
Aber dafür musste er Marlene finden. Musste sie fragen, was sie dazu bewogen hatte, ihr Verschwinden zu inszenieren.
Morgen, dachte er müde. Das musste Zeit bis morgen haben …
* * *
»Ich weiß nicht, wo deine Frau ist.« Daniel winkte Isabel und Sonja zu, die an seinem Arbeitszimmer vorbeigingen. Sie winkten zurück, dann zog Isabel die Tür zu seinem Zimmer zu. »Und wenn ich es wüsste, würde ich es dir nicht sagen«, hörte Sonja, wie der Freund für sie log.
Gut, dachte sie. Ihr war schon wieder kalt; fröstelnd hielt sie sich an ihrem Notebook fest. Es waren nur noch drei Wochen bis Weihnachten. Zwei Wochen, bis sie das Manuskript beim Verlag abliefern musste.
Sie hatte keine Zeit, sich jetzt mit Andrés Problemen herumzuschlagen.
»Danke für alles.« Im Hausflur umarmte sie Isabel. »Ich meld mich, sobald ich kann.«
»Und wir melden uns, sobald Daniel etwas herausgefunden hat.« Isabel zögerte. »Ich hab kein gutes Gefühl, wenn du jetzt auf der Flucht bist.«
»Nein, das habe ich auch nicht.« Sonja seufzte. Sie hatten es heute früh besprochen, und nachdem sie eineNacht drüber geschlafen hatte, rief sie Gregor an und bat ihn, ihr zu helfen.
Er hatte sofort angeboten, dass sie bis auf weiteres bei ihm unterschlüpfen könne. Und so gerne sie dieses Angebot auch angenommen hätte, war es ihr lieber, wenn er sie einfach irgendwo hinbrachte, wo sie ungestört war.
Sie musste jetzt allein sein.
»Gregor wartet sicher«, sagte Sonja leise.
»Du hast recht.«
Sie umarmten sich ein letztes Mal. Der Lift hielt, und das Letzte, was Sonja von ihrer Freundin sah, war ihr wehmütiges Lächeln.
Gregor wartete vor dem Haus in seinem Wagen. Als er sie kommen sah, stieg er aus und half ihr, die Reisetasche mit ihren wenigen Sachen in den Kofferraum zu stellen.
»Wohin?«, fragte er leise.
Sie zögerte. Erst müsste sie noch ein paar Dinge kaufen, aber dann …
»Irgendwohin, wo ich ungestört bin.«
»Da wird sich was finden«, versprach er und ließ den Wagen an.
Er stellte keine Fragen, sondern fuhr sie in ein Einkaufszentrum, wo sie sich mit dem
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