Verbrannte Träume.
die Hand. Ich nippte daran. Heiß war der Tee nicht mehr, aber er schmeckte scheußlich. Marcia sah, daß ich das Gesicht verzog. Sie lächelte.
»Schmeckt ein bißchen streng. Das ist eine chinesische Kräutermischung. Ich trinke immer eine Tasse davon, bevor ich mich hinlege. Nach dem Streß in der Bar, man schläft dann wie ein Baby. Ich dachte, dir könnte es auch nicht schaden, mal richtig auszuschlafen. Aber wenn du ihn nicht magst, du mußt ihn nicht trinken.«
»Doch«, sagte ich,«ist nur ungewohnt.«
Dann würgte ich das Zeug runter. Marcia brachte mir eine Decke und ein Kissen und ging in ihr Schlafzimmer. Ich rollte mich auf der Couch zusammen. Ich weiß nicht, wie Babys schlafen. Ich schlief nicht gut, hatte scheußliche Träume, in denen alles durcheinanderging. Zuerst lief ich im Bahnhof umher. Jemand verrenkte mir den Arm, drückte mir ein Messer in den Rücken und wollte wissen:
»Wo ist das Geld? Wo sind die Pakete?«
Ich wimmerte:
»Ich weiß es nicht! Ich weiß es nicht! Ich weiß es nicht.«
Dann stand Ulli vor mir, sein Gesicht war voller Blut. Er schlug mir ins Gesicht, fragte:
»Du willst doch noch ein bißchen leben? Also, mach das Maul auf, du Miststück. Du weißt es genau.«
Marcia stand neben ihm, sie war fast nackt und sagte:
»Sie ist völlig fertig. Du verschwindest jetzt besser.«
Dann schlug sie mir ins Gesicht. Davon wachte ich auf. Das war kurz vor sechs. Marcia stand, über mich gebeugt, schlug mir leicht gegen die Wange, rief meinen Namen.
»Andrea! Um Gottes willen, wach auf, Andrea. Das ist ja nicht auszuhalten. Was hast du denn?«
Über der Couch brannte eine kleine Lampe. Ich blinzelte ins Licht. Zuerst war alles verschwommen. Marcias Gesicht riesengroß und wabbelig. Dann wurde es langsam klar und fest.
»Ich hatte einen Alptraum«, sagte ich. Marcia nickte.
»Das habe ich gemerkt. Du hast gestöhnt und geschrien, da konnte einem angst und bange werden.«
Sie trug nur einen Slip, richtete sich auf.
»Ich mache uns einen Kaffee«, sagte sie.
»Schlafen kann ich sowieso nicht mehr.«
Sie ging zur Küchenecke hinüber.
»Was hast du denn geträumt?«
Ich erzählte es ihr und merkte, daß mir etwas aus der Nase lief. Ich wischte es mit dem Handrücken weg, meine Hand wurde rot. Ich hatte Nasenbluten.
»Hast du ein Tuch für mich?«
rief ich. Marcia schaute mich an, sagte:
»Mein Gott, leg den Kopf in den Nacken«, und riß ein Blatt von der Küchenrolle. Ich stand auf und ging zu ihr, nahm ihr das Blatt ab und drückte es mir unter die Nase. Mir war schwindlig und ziemlich übel.
»Du hast nicht zufällig Traubenzucker hier?«
»Doch«, sagte Marcia,«hab’ ich. Eine ganze Dose voll. Die hat Ulli mir geschenkt, am Freitag. Hübsch nicht?«
Während sie sprach, hatte sie den Hängeschrank geöffnet. Sie nahm meine Dose raus, zeigte sie mir, als ob ich sie noch nie gesehen hätte.
»Das ist meine«, sagte ich.
»Das sind die fünfhundert Gramm, die Ulli Rene andrehen wollte. Sieht fast aus wie Kokain.«
Marcia starrte mich an, die Dose hielt sie noch. Aber die stellte sie dann ab, nahm mich beim Arm und führte mich zur Couch zurück.
»Setz dich«, sagte sie,«und jetzt hör’ mir mal gut zu. Irgendwas stimmt nicht mit deiner Geschichte. Das ist mir in der Nacht schon aufgefallen. Aber du warst so erschöpft, daß ich dachte, laß sie erst mal schlafen. Wenn sie sich morgen besser fühlt, können wir reden.«
Marcia ließ mich nicht aus den Augen, sprach langsam, aber bestimmt weiter.
»Ulli wäre nie auf die Idee gekommen, Rene etwas anzudrehen. Bestimmt kein Kokain. Selbst wenn Ulli welches gehabt hätte, was ich bezweifle, er wußte, daß man sich auf Rene nicht verlassen kann. Der kann den Mund nicht halten, verstehst du?«
»Ich hab’ es doch gehört, als er mit ihm telefonierte. Fünfhundert für den Anfang. In der Dose ist genau ein Pfund.«
»Diese Dose hatte er mir versprochen«, erklärte Marcia nachdrücklich.
»Vor drei oder vier Wochen, kann auch länger her sein, ich weiß es nicht mehr genau. Ist ja auch egal. Vor ein paar Wochen jedenfalls sagte Ulli, er habe hübsche Dosen im Angebot. Und ich sagte, dann bring mal eine mit. Als er am Freitag reinkam, hat er sie mir gegeben. Und ich habe sie nach hinten gebracht, damit ich sie nicht vergesse, wenn ich heimfahre. Rene hat diese Dose gar nicht zu Gesicht bekommen.«
»Und warum hat Ulli den Traubenzucker reingetan?«
Marcia zuckte mit den Achseln.
»Da bin ich
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