Verbrannte Träume.
getroffen hatte, die sich vielleicht Sorgen machte. Kurz vor elf rief ich in der Klause an. Ein Mann kam ans Telefon. Marcia war nicht zur Arbeit erschienen, entschuldigt hatte sie sich nicht. Mir wurde schlecht, als ich das hörte. Jetzt hielten sie sich an Marcia. Bedrohten sie, folterten sie, um herauszukriegen, wo ich geblieben war. Vielleicht hatten sie Marcia schon umgebracht. Und warteten, daß ich noch mal in die kleine Wohnung kam. Aber sie mußten nicht warten. Sie konnten etwas arrangieren. Und wenn ich kam, auf den Klingelknopf drückte … Ein winziges Fünkchen genügte. Der Warmwasserboiler in Marcias Dusche wurde mit Gas betrieben, das hatte ich morgens gesehen. Da genügt ein Handgriff. Sieht man oft in Filmen. Peng-Puff, und alles geht in Flammen auf! Marcia in einem der Zimmer, und ich direkt vor der Tür. Ein oder zwei junge Hühner gegrillt. Da kräht kein Hahn mehr danach. Ich fragte den Mann nach Marcias Privatnummer. Zuerst wollte er sie mir nicht geben, dann tat er es doch. Ich rief in ihrer Wohnung an. Es war ihr nichts passiert. Sie kam gleich ans Telefon.
»Um Gottes willen, Andrea, wo bist du?«
»Mach dir keine Sorgen«, sagte ich. Wo ich war, verschwieg ich, fragte statt dessen:
»Kannst du heute nacht woanders schlafen? Bei Freunden vielleicht?«
»Warum sollte ich?«
»Weil du Gas in der Wohnung hast.«
»Andrea«, verlangte Marcia in beschwörendem Ton,«jetzt sei vernünftig. Komm her, und …«
»Ich bin vernünftig«, unterbrach ich sie.
»Assenmacher ist dem Taxi gefolgt heute morgen. Deshalb bin ich nicht beim Treffpunkt ausgestiegen. Ich habe mich woanders hinbringen lassen und ihn abschütteln können. Aber er weiß jetzt, daß ich bei dir war.«
»Na und«, meinte Marcia,«von mir will er doch nichts. Und an dich wird er sich nicht heranwagen, wenn du bei mir bist. Also sei vernünftig und komm her. Ich ruf den Typ vom LKA an. Der ist sowieso schon in heller Sorge. Er wird dich an einen sicheren Ort bringen, wenn du meine Wohnung nicht für sicher genug hältst.«
»Ich bin an einem sicheren Ort«, sagte ich.
»Und ich kann es nicht verantworten, dich noch tiefer mit hineinziehen. Mach dir keine Sorgen um mich. Ich komme klar. Ich schreibe alles auf. Dann schicke ich die Diskette nach Düsseldorf.«
»Wieso nach Düsseldorf?«
fragte Marcia.
»Ans LKA«, sagte ich, wartete nicht ab, daß sie mir antwortete, legte auf. Mir war kalt. Ich ging vor Angst die Wände hoch. So sicher, wie ich gedacht hatte, war die Kanzlei nicht. Nur wurde mir das erst in diesem Moment bewußt. Lutz Assenmacher war mir tagelang auf den Fersen gewesen. Der wußte längst, wo ich arbeitete. Die Haustür unten war kein Problem, ein einfaches Schloß. Und die Tür zur Kanzlei war aus Glas. Wenn er das zerbrach und mich mit dem Hals in die Scherben stieß! Kaum hatte ich es gedacht, setzte es sich fest. Ein Unfall, genauso, wie sie es mit Ulli gemacht hatten. Jeder mußte denken, ich sei gestolpert und mit dem Kopf in die Tür gefallen. Von Ulli hatten sie nicht bekommen, was sie wollten. Da hatten sie kurzen Prozeß gemacht. Von mir hatten sie es bisher auch nicht bekommen. Inzwischen mußten sie annehmen, daß ich es ihnen nicht geben wollte. Ihnen! Ich konnte nur ihnen oder sie denken, nicht er, nicht Lutz Assenmacher. Der vielleicht nur so tat, als hätte er keine Ahnung von den Unfallfolgen. Der Ulli umgebracht hatte, um dessen Platz in der Organisation einzunehmen, zwei Kilo Moltofill als Morgengabe. Oder der, wie Marcia annahm, Ullis Wagen als Kurierfahrzeug benutzt hatte. Er konnte mich nicht leben lassen. Ich wußte zuviel. Irgendwann zwischen zwölf und eins schrieb ich diesen blödsinnigen Satz.
»Wenn er jetzt zur Tür hereinkäme, ich wäre erleichtert, daß es vorbei ist. Ich würde ihn nur bitten, es kurz und schmerzlos zu machen.«
Als ich es las, fand ich, ich sollte eine Pause machen. Ich speicherte ab, schob die Diskette in den Computer. Aber ich war noch lange nicht fertig, also machte ich noch keine Kopie. Ich ließ alles, wie es war, ging hinüber in Doktor Farngräbers Büro und legte mich auf die Couch. Schlafen wollte ich nicht. Nur die Augen zumachen. Ein halbes Stündchen, dachte ich. Aber ich war so müde. Nicht nur körperlich, ich war auch innerlich erschöpft. Und es war still und friedlich. Da passierte es eben. Ich döste ein bißchen, dann war ich weg. Geträumt habe ich nicht, dafür habe ich nicht lange genug geschlafen. Knappe zwei Stunden. Als
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