Verbrechen im Mädchenpensionat
sich in fortwährender
Bewegung. Schließlich blickte sie verärgert auf.
»Na, was ist jetzt los? Sie
starren mich seit zehn Minuten unentwegt an.«
Ich zuckte die Schultern. »Ich
bin fasziniert von der Geschwindigkeit, mit der Sie tippen.«
»Dann schielen Sie ganz
offensichtlich. Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten, ich schreibe
nämlich mit meinen Fingern. Und auf die haben Sie keineswegs gestarrt.«
»Ich bin geistig völlig von
dieser Rede in Anspruch genommen, die ich halten soll. Im Bannister College,
wissen Sie. Fünfzig Studentinnen!«
»In diesem Fall sparen Sie
besser Ihre Kräfte. Sie werden sie brauchen.«
Sie fuhr fort, auf ihre
Schreibmaschine zu hämmern, und achtete nicht mehr auf mich. Nach einer Weile
begriff ich und schlenderte, auf der Suche nach einer anderen
Inspirationsquelle, hinaus.
Später, in meiner Wohnung,
feilte ich die Rede noch vollends endgültig zurecht, las sie noch einmal durch
und fügte ein paar Glanzlichter feinen Humors hinzu. Dann grub ich in der Küche
eine Flasche Whisky aus und bereitete mich auf einen langen harten Abend vor.
Es war beinahe sieben, als ich
schließlich die Wohnung verließ und der Garage zustrebte, um meinen Austin
Healey herauszuholen.
Das Bannister College lag in
einem der Vororte. Ich fuhr auf Straße sieben aus der Stadt hinaus. Es war eine
mühsame, steile Strecke, die die meiste Zeit entlang der Küste verlief.
Irgendwo in dem schwarzen Abgrund, der zu meiner Rechten gähnte, hörte man das
dumpfe Brausen der Brandung, das Sprudeln und Zischen von Wasser, das vom
Strand wieder abfloß .
Ich hielt den Tachometer
sorgfältig im Auge. Als ich mich genau viereinhalb Kilometer außerhalb Pine Citys befand, bog ich auf eine Schotterstraße ab, die
sich beinahe anderthalb Kilometer lang hinzog. Plötzlich, unmittelbar vor mir
und etwas von der Straße zurückliegend, konnte ich die Umrisse eines Gebäudes
erkennen, das zweifellos das College war.
Die Außenansicht ließ keine
Rückschlüsse auf den Charakter des Inneren zu; es sah aus wie jede andere
weitläufige, gut gehaltene Besitzung. Gebüsch, Rasenflächen, alles schien in
guter Verfassung zu sein, und nur an der Bronzetafel, auf die meine
Scheinwerfer fielen, konnte ich erkennen, daß ich am Ziel war.
Ich lenkte den Wagen von der
Schotterstraße hinunter und fuhr zwischen zwei großen Steinpfeilern hindurch
auf eine mit feinem blauem Kies bestreute Auffahrt, die sich zwischen einer
Reihe von Bäumen zu dem dahinter liegenden Gebäude hinaufwand.
Das Haus war mit keinerlei Efeu
bewachsen. In Wirklichkeit glich es so wenig einem College wie ich einem
Studenten im ersten Semester. Es war ein weitläufiges einstöckiges Gebäude mit
flachem Dach und großen Fensterflächen, die strahlendhell beleuchtet waren.
Ich parkte den Healey zwischen
einem Cadillac und einem weißen Imperial. Dann ging ich die fünfzig Meter bis
zum Eingang und stieg die sechs Betonstufen empor. Die Tür stand offen, und
jemand wartete auf mich.
Es war eine Blonde mit hellen
blauen Augen ohne jedes Make-up, denn sie brauchte keines. Sie trug einen
blauen Blazer, auf dessen Tasche ein großes weißes B gestickt war. Unter dem
Blazer trug sie eine weiße Bluse. Ein hübscher grauer Rock, Nylonstrümpfe und
vernünftig aussehende Schuhe vervollständigten die Kleidung.
Sie lächelte mir mit Wärme zu.
»Ich bin Miss Tomlinson«, sagte sie mit britischem Akzent, »die Sportlehrerin.«
Sie sprach voller Nachdruck. »Willkommen in Bannister, Mr. Lavers .
Ich muß gestehen, ich habe einen viel älteren Mann erwartet.«
»Der jüngste Sheriff, den es je
gegeben hat«, sagte ich.
»Meine herzlichsten Glückwünsche«,
sagte sie.
»Das heißt, so wäre es, wenn
ich der Sheriff wäre«, erklärte ich. »Aber ich bin nicht der Sheriff. Ich bin
Lieutenant Wheeler.«
»Oh?« sagte sie, nicht mehr mit
derselben Wärme. »Aber wir erwarteten doch den...«
»Ich bin an seiner Stelle
hier«, sagte ich. »Der Sheriff läßt sich entschuldigen, aber er leidet an einer
plötzlich aufgetretenen Kehlkopfentzündung, und deshalb...«
»Das tut mir leid«, sagte sie.
»Bitte kommen Sie doch mit zu Miss Bannister. Sie wartet in der Bibliothek auf
Sie. Sie dachte, Sheriff Lavers — das heißt, sie
dachte, Sie würden vielleicht gern vor Ihrer Rede noch etwas trinken?«
»Etwas trinken?« Mein Gemüt
erhellte sich für einen Augenblick und fand dann seine Gelassenheit wieder.
Höchstwahrscheinlich war in Miss Bannisters
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