Verbrechen ist Vertrauenssache
Jungen noch mehr zu überraschen als alles andere. »Sie wollen die Tankstelle schließen?«
»Du kriegst einen Tag Urlaub«, sagte Mackey. »Ganz plötzlich und unerwartet.«
Parker tippte dem Jungen mit dem Schraubenschlüssel an die Brust, was einen Ölfleck auf dem weißen Overall hinterließ. »Die Beleuchtung«, sagte er.
Der Junge blinzelte und zeigte dann auf den Sicherungskasten an der Wand hinter dem Schreibtisch. »Dadrin sind die Schalter«, sagte er. »Aber Sie können nicht alles ausschalten. Ein paar Geräte müssen in Betrieb bleiben.«
»Im Augenblick geht’s nur um die Außenbeleuchtung«, sagte Parker.
Zögernd gehorchte der Junge, mit großen Augen, als wärees eine Art Sakrileg, eine rund um die Uhr geöffnete Tankstelle zu schließen.
Als nächstes musste er die Hebebühne wieder herunterfahren und das Tor der Werkstatt schließen, ein überbreites Kipptor mit rechteckigen Fenstern. Dann sahen sie sich in ihrer neuen Umgebung um und entdeckten in der hinteren rechten Ecke der Werkstatt die Tür zu einem Lagerraum, der hinter dem Büro lag. Er war lang und schmal, und auf hohen Holzregalen waren Keilriemen, Öldosen und Reifen gestapelt. Die Tür stand offen, doch an der Haspe hing ein Vorhängeschloss.
»Schreib die Kombination auf«, sagte Mackey freundlich.
»Ich glaube, die kenne ich gar nicht«, sagte der Junge, der beschlossen hatte, schlau zu sein.
Mackey zuckte die Schultern. »Wie du meinst«, sagte er. »Wir schließen dich jetzt hier ein, damit du uns nicht im Weg herumstehst, und ich dachte, wir lassen dich wieder raus, wenn wir gehen. Aber wenn du lieber warten willst, bis einer vorbeikommt …«
Plötzlich fiel dem Jungen die Kombination wieder ein. Er schrieb sie auf einen Notizblock und fragte, ob er die beiden Zeitschriften, die er gelesen habe, mitnehmen könne, und sie sagten, das könne er. Widerstandslos ging er, die Zeitschriften in der Hand, in den Lagerraum und zog einen Holzstuhl hinter sich her. Als sie die Tür schlossen, grinste er sogar schüchtern.
Mackey ließ das Schloss einschnappen und sagte: »Gar nicht so übel, der Typ. Hat eine große Zukunft, würde ich sagen.«
»Nicht auf den Kopf gefallen«, bestätigte Parker. »Er weiß, dass er eine Zukunft will.«
Sie schalteten die restlichen Lichter aus und schlossendie Tankstelle. Unter der Tür des Lagerraums, wo der Junge seine Zeitschriften las, drang ein Lichtschimmer hervor, aber so schwach, dass er von der Straße aus nicht zu sehen war.
Mackey und Brenda setzten sich in den Kombi und holten den versäumten Schlaf nach, Parker machte es sich, so gut es ging, in dem Vinylsessel im Büro bequem und legte die Füße auf den Schreibtisch. Er döste ein paarmal ein, allerdings nie für sehr lange, und irgendwann schlug er die Augen auf, und draußen war es hell – sechs oder halb sieben.
Und was ihn geweckt hatte, war ein Polizeiwagen, der soeben zwischen den Zapfsäulen und dem Büro zum Stehen gekommen war. Es saß nur ein einziger Polizist darin. Er stieg aus, drehte sich um und sah über seinen Wagen hinweg nach rechts und links zur Straße. Seine Uniform passte nicht: Die Beine der Hose waren zu kurz, die Jacke war zu weit.
Parker stellte die Füße auf den Boden und beugte sich vor. Der Polizist drehte sich um und kam auf das Büro zu. Seine rechte Hand öffnete das Holster und schloss sich um den Griff des Dienstrevolvers. Das Gesicht unter der Uniformmütze war das von George Liss.
TEIL ZWEI
EINS
Sieben Stunden bevor irgendwelche atheistischen Schweinehunde dem Reverend William Archibald vierhunderttausend Dollar stahlen, erwachte dieser allein im Bett. »Wo zum Teufel ist sie schon wieder?«, sagte er.
Tina hörte die vertraute sonore Baritonstimme, trat prompt aus dem Badezimmer und sagte: »Hier bin ich, Will.« Das volle aschblonde Haar, das ihr sanftes Gesicht einrahmte, war noch zerzaust. Sie war nackt, und er hatte noch keine Frau gesehen, die ihr Evaskostüm so aufregend ausfüllte wie sie. »Kann ich was für dich tun, Schatz?« fragte sie.
Er sah sie an. Sie stand da, liebenswürdig, ihre runden Wangen betonten die vollen Lippen, die noch weich vom Schlaf waren. »Wenn ich’s mir recht überlege«, sagte er, »ja.«
Eine Viertelstunde später stand Archibald pfeifend unter der Dusche, während Tina beim Zimmerservice Frühstück bestellte. Als er den blauen Nadelstreifenanzug, ein weißes Hemd und eine stark gemusterte blaue Krawatte angezogen hatte, als sein
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