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Verbrechen ist Vertrauenssache

Verbrechen ist Vertrauenssache

Titel: Verbrechen ist Vertrauenssache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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bestand darin, sie auszusortieren und loszuwerden, bevor sie den Rest des Korbes verderben konnten. Aber das Marine Corps brauchte sich ja auch keine Gedanken zu machen über die Kombination aus einer von Natur aus feindseligen Presse und einem auf Spenden basierenden Geschäftsmodell. Was Tom Carmody tun konnte, um Zweifel in den Köpfen von Dwaynes Männern zu säen, war nichts im Vergleich zu dem, was er, mit der Unterstützung des richtigen Reporters, tun konnte, um Zweifel in den Köpfen von Menschen wie den sechshundert zu säen, die gerade vor dem Stadion Kaffee aus Thermoskannen tranken. Mitarbeiter kamen und gingen, die sechshundert dagegen waren unerlässlich.
    Doch es wäre unklug gewesen, dies Dwayne zu erklären, einem eher schlichten Gemüt, dessen Verständnis kaum je über das hinausreichen würde, was die Truppe betraf. Er sah nur, ob es da einen gab, der Schwierigkeiten machte – die größeren Zusammenhänge nahm er nicht wahr.
    »Also gut«, sagte Archibald. »Nach der Predigt heute werde ich mir Tom mal zur Brust nehmen. Vielleicht kann ich ihn ja zur Vernunft bringen.«
    »Okay«, sagte Dwayne. »Aber sieh ihn dir an, Will, sieh ihn dir genau an, wenn du mit ihm redest. Sei unvoreingenommen. Wenn er nicht zur Vernunft kommt, sag mir Bescheid. Ich werde ihn nicht feuern – ich werde ihn ganz sanft hinausbefördern, damit er nicht sauer wird.«
    Die Vorstellung, dass Dwayne etwas auf taktvolle Weise tat, zauberte ein leises Lächeln auf Archibalds Lippen. »Ich werde ihn studieren wie die Bibelstelle des Tages. Okay?«
    »Vielleicht kannst du ihn überreden, zu irgendwelchen Mönchen zu gehen«, sagte Tina. »In ein Kloster. Dann hätten wir ihn nicht mehr am Hals, und er wäre glücklich.«
    Dwayne kniff immer die Augen zusammen und wendete sich ab, wenn Tina etwas sagte, als würde ein heller Scheinwerfer auf ihn gerichtet. Auch jetzt tat er das und überließ es Archibald zu sagen: »Das ist eine sehr gute Idee, Tina. Ich werde das mal ansprechen. Ein Kloster ist ein hervorragender Ort für einen gläubigen jungen Menschen.«
    »Er hat eine Freundin«, sagte Dwayne ohne besondere Betonung.
    Archibald runzelte die Stirn. »Tatsächlich? Soviel zum Thema Kloster. Glaubst du, sie ist ein Teil des Problems?«
    »Wahrscheinlich. Ich weiß es nicht genau.«
    »Vielleicht sollte ich dann mit beiden gemeinsam sprechen.«
    »Sie ist nicht hier«, sagte Dwayne. »Sie gehört nicht zu uns. Sie lebt in Memphis«, erklärte er. Memphis war Archibalds Heimatstadt, dort stand seine Eternal Jesus Chapel, dort wurden seine Fernsehauftritte aufgezeichnet.
    »Tja, ich finde, wir sollten nicht warten, bis wir wieder in Memphis sind«, sagte Archibald. »Ich rede heute nachmittag mit Tom, nach der Veranstaltung, und mit der Frau spreche ich später, in Memphis, falls das nötig ist. Wie ist sie denn so?«
    »Keine Ahnung«, sagte Dwayne und zuckte die Schultern. »Sie heißt Mary Sowieso. Ich weiß nichts über sie.«

ZWEI
    Etwa zu der Zeit, als William Archibald unter der Dusche pfiff, begann Mary Quindero zu sterben. Sie wusste es oder vermutete es oder befürchtete es, konnte ihre Mörder aber nicht davon in Kenntnis setzen, denn diese wollten ausschließlich Antworten auf ihre Fragen hören, und sie hatte keine Antworten mehr. Die beiden – Woody Kellman und Zack Flynn – wussten nicht, dass sie dabei war zu sterben, denn sie hatten keine Ahnung von der kumulativen Wirkung der Methoden, mittels deren sie die Antworten erzwingen wollten, die Mary, wie sie glaubten, noch immer zurückhielt: Sie würgten sie und ließen sie wieder los, drückten ihren Kopf unter Wasser und ließen ihn wieder los. Und Ralph Quintero, Marys Bruder, konnte nicht wissen, was geschah, denn er sah sich in Zacks Wohnung einen alten Horrorfilm auf Video an, weil er ja nicht dabeisein konnte, wenn die Freunde seine Schwester unter Druck setzten. Er hatte schlicht keine Ahnung, wie dumm sie waren.
    »Tut ihr nicht weh oder so. Seid einfach … Ihr wisst schon, sie ist meine Schwester, und ich muss …«
    »Keine Sorge, Ralph – wenn sie sieht, dass wir’s ernst meinen, wird sie bestimmt keine Schwierigkeiten machen. Was soll sie schon tun? Aber wir müssen sie ein bisschen unter Druck setzen, um ihr zu zeigen, dass es uns ernst ist. Nur ein bisschen.«
    Dass das nicht funktioniert hatte, lag einfach an diversenFehleinschätzungen aller Beteiligten, angefangen bei Ralph, der nicht geglaubt hatte, dass seine Kumpel Mary tatsächlich

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