Verbrechen ist Vertrauenssache
Den Schlüssel mit dem rechteckigen Anhänger aus Plastik hielt er in der Hand.
Er trat rasch durch die Tür, schlug sie hinter sich zu, duckte sich und rannte quer durch den Raum, wobei er nach links und rechts sah. Nichts, niemand. Das Badezimmer war dunkel. Nichts, niemand.
Der Vorhang an dem Fenster neben der Tür war bereits geschlossen. Parker schaltete das Licht an und sah sich um. Seit sie das Motel verlassen hatten, war außer dem Zimmermädchen niemand hiergewesen. Bis auf Brenda mit ihrem Kosmetikzeug reisten sie mit leichtem Gepäck, und Parkers und Liss’ Sachen waren noch immer da, wo sie sie hingelegt hatten: einige Kleidungsstücke, Zahnbürsten und ein paar andere Dinge, die nicht wichtig und überall erhältlich waren und keinen Aufschluss über ihre Besitzer gaben.
Der ursprüngliche Plan, jetzt nur noch eine schwache Erinnerung, hatte vorgesehen, in dem Baucontainer abzuwarten, bis sich die Aufregung gelegt hatte. Dann wollte Brenda sie in der Frühe um sechs abholen und die fünf Kilometer bis zu dem leerstehenden Haus fahren, das zwar innerhalb der Stadtgrenzen, aber einsam gelegen war. Dort wollten sie das Geld verstecken und anschließend wieder zum Motel zurückkehren und warten, bis es sicher schien, die Stadt zu verlassen. Sie würden das Geld aus dem Haus holen und verschwinden.
Jetzt gab es überhaupt keinen Plan mehr. Mackey, Brendaund das Geld waren irgendwo in dieser Stadt. Liss war ebenfalls da und suchte nach ihnen. Und Parker verließ sich darauf, dass Brenda früher oder später hierherkommen würde.
Es gab eine Verbindungstür zu dem Zimmer von Mackey und Brenda. Sie hatten die Tür gar nicht erst aufgemacht, doch jetzt öffnete Parker sie. Auch in diesem Zimmer war niemand. Im Badezimmer stand auf allen horizontalen Flächen Brendas berühmtes Kosmetikzeug herum.
Parker schaltete das Licht in dem Zimmer aus und kehrte in sein eigenes zurück. Die Verbindungstür lehnte er an, so dass er durch den Spalt etwas hören und sehen konnte. Dann ging er ins Badezimmer, zog das Hemd aus und wusch den blutroten Schnitt am linken Oberarm aus. Er zog sein letztes frisches Hemd an, stellte einen Sessel neben die Verbindungstür, machte das Licht aus, setzte sich im Dunkeln hin und wartete.
Klick .
Parker richtete sich auf. Im Türspalt erschien eine senkrechte Linie aus grauem Licht, das heller wurde, dunkler wurde, erlosch.
Jemand hatte das Zimmer nebenan betreten, das Tageslicht hatte durch die Türöffnung geschienen. Parker wartete erst seit zwei Stunden.
Nebenan wurde kein Licht eingeschaltet. Parker beugte sich zur Verbindungstür und hörte, wie sich jemand sehr leise bewegte.
Brenda und Mackey hätten gleich das Licht angeschaltet. War es Liss? Parker lauschte.
Jetzt ging das Licht an. Die Geräusche erstarben. Dann hörte er rasche Schritte, die an der Verbindungstür vorbei zum Badezimmer führten, und das Klicken eines weiterenLichtschalters. Parker machte die Tür eine Spur weiter auf, konnte aber nur die Front des Zimmers sehen: den größten Teil des Betts, dessen Kopfende an der Wand gegenüber der Verbindungstür stand, den Nachttisch, die beiden Stühle, den runden Tisch und die Stehlampe und dahinter das Fenster mit den geschlossenen Vorhängen. Die Tür lag außerhalb seines Sichtfelds.
Weitere Schritte. Die Schranktür wurde aufgeschoben. Ein Rascheln, als jemand die Kleider, die darin hingen, durchsuchte. Eine Schublade wurde geöffnet und wieder geschlossen.
Jemand durchsuchte das Zimmer. Ein ordentlicher Mensch: Er schloss Schubladen. Parker wusste, dass es nicht Brenda war, er glaubte, dass es nicht Liss war, und fragte sich, ob es sich vielleicht um einen der drei Typen handelte, die gestern nacht am Container herumgeschnüffelt hatten. Er wartete, und dann ging ein Mann, den er noch nie gesehen hatte, am Fußende des Betts vorbei zum Nachttisch und zog die Schublade auf.
Parker musterte ihn und versuchte ihn einzuordnen. Ein Freund von Liss? Saß Liss in dem leerstehenden Haus und hatte diesen Burschen geschickt, für den Fall, dass das Geld im Motel auftauchte?
Nein. Soviel Vertrauen hatte Liss in niemanden, und niemand hatte soviel Vertrauen in ihn. Außerdem sah dieser Typ nicht so aus. Er war ein schlanker, durchtrainierter Fünfziger mit kurzem grauem Haar und einer Nickelbrille und hatte eine Aura von Kompetenz und Selbstbewusstsein. Er trug einen gutgeschnittenen grauen Anzug, in dem er eher wie ein Bulle als ein wie Banker aussah. Aber
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