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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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besonders wenn man eine natürliche Neigung dazu hat«, fügte er hinzu und lachte wieder.
    »Ich hörte aber, daß Sie viele Bekannte haben. Sie sind doch, was man so nennt, ›nicht ohne Verbindungen‹. Was brauchen Sie dann mich, wenn nicht zu einem bestimmten Zweck?«
    »Das stimmt, daß ich Bekannte habe«, fiel ihm Swidrigailow ins Wort, ohne jedoch die Hauptfrage zu beantworten. »Einige habe ich auch schon getroffen; ich treibe mich ja schon den dritten Tag hier herum; ich erkenne die Leute wieder, und auch sie scheinen mich zu erkennen. Allerdings bin ich anständig gekleidet und gelte als vermögender Mann; uns hat auch die Aufhebung der Leibeigenschaft nicht geschadet: wir haben Wälder und Flußwiesen, das Einkommen ist nicht geschmälert; aber ... ich will die Leute nicht aufsuchen; sie waren mir auch früher schon langweilig; den dritten Tag gehe ich herum und gebe mich niemand zu erkennen ... Und erst diese Stadt! Sagen Sie mir, bitte, wer hat sie erdacht? Es ist die Stadt von Kanzlisten und allen möglichen Seminaristen! Ich habe hier früher wirklich vieles nicht bemerkt, vor acht Jahren, als ich mich hier herumtrieb ... Jetzt setze ich alle meine Hoffnungen nur noch auf die Anatomie, bei Gott!«
    »Auf was für eine Anatomie?«
    »Was aber alle diese Klubs, die Restaurants von Dussot und die schönen Aussichtspunkte auf den Inseln, vielleicht auch den Fortschritt betrifft, so habe ich kein Interesse dafür«, fuhr er fort, wieder ohne die Frage zu beachten. »Was für ein Vergnügen ist es auch, Falschspieler zu sein!«
    »Waren Sie denn auch Falschspieler?«
    »Ja, natürlich! Wir waren eine ganze höchst anständige Gesellschaft, vor acht Jahren; wir vertrieben uns die Zeit; und, wissen Sie, lauter Menschen mit Manieren, Dichter waren dabei, auch Kapitalisten. Überhaupt haben bei uns, in der russischen Gesellschaft die besten Manieren gerade solche Menschen, die schon einmal Prügel bekommen haben –, wissen Sie es noch nicht? Ich bin nur auf dem Lande so verbauert. Und doch hatte mich damals ein Grieche aus Njeschin wegen Schulden ins Gefängnis gesperrt. Da kam gerade Marfa Petrowna dazwischen, sie handelte mit dem Mann und löste mich für dreißigtausend Silberlinge aus. (Im ganzen schuldete ich siebzigtausend.) Wir gingen eine legitime Ehe ein, und sie brachte mich sofort wie einen kostbaren Schatz zu sich aufs Gut. Sie war ja um fünf Jahre älter als ich. Liebte mich sehr. Sieben Jahre verließ ich das Gut nicht. Und beachten Sie, bitte: Ihr ganzes Leben hatte sie ein Dokument gegen mich, einen auf einen fremden Namen ausgestellten Wechsel über diese dreißigtausend Rubel in Händen, so daß, wenn ich nur wagte, mich gegen sie zu empören, sie mich sofort ins Loch bringen konnte! Und sie hätte es auch getan!«
    »Und wenn sie den Wechsel nicht gehabt hätte, so wären Sie wohl durchgebrannt?«
    »Ich weiß nicht, was ich Ihnen darauf sagen soll. Dieses Dokument genierte mich fast gar nicht. Ich hatte keine Lust, irgendwohin zu gehen, und Marfa Petrowna hat mir sogar selbst zweimal eine Auslandsreise angeboten, als sie sah, daß ich mich langweilte. Aber, was! Im Auslande war ich schon vorher gewesen und hatte mich da immer gelangweilt. Es war weniger Langweile, aber so ein Sonnenaufgang, der Golf von Neapel, das Meer –, wenn ich es sehe, so ist es mir so traurig zumute. Das Gemeinste ist, daß man tatsächlich Trauer empfindet! Nein, in der Heimat ist es doch besser: hier schiebt man wenigstens die Schuld den anderen zu und rechtfertigt sich selbst. Vielleicht würde ich noch an einer Nordpolexpedition teilnehmen, denn – j'ai le vin mauvais, das Trinken ist mir zuwider, aber außer dem Wein bleibt mir nichts übrig. Ich habe es schon versucht. Man sagt, daß Berg am Sonntag im Jussupowschen Garten mit einem großen Luftballon aufsteigen wird und Reisebegleiter gegen eine bestimmte Bezahlung sucht, ist das wahr?«
    »Nun, würden Sie mitfliegen?«
    »Ich? Nein ... ich frage nur so ...« murmelte Swidrigailow und schien wirklich nachdenklich zu werden.
    – Ist es sein Ernst? – dachte Raskolnikow.
    »Nein, das Dokument hat mich niemals geniert,« fuhr Swidrigailow nachdenklich fort, »ich wollte selbst nicht das Gut verlassen. Auch hat mir Marfa Petrowna vor einem Jahr zu meinem Namenstag das Dokument zurückerstattet und mir außerdem noch eine nennenswerte Summe geschenkt. Sie hatte ja Vermögen. – ›Sehen Sie, wie ich Ihnen vertraue, Arkadij Iwanowitsch‹ –, so drückte

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