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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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von mir angeführte Fall ist tatsächlich ein Einzelfall! Es ist aber dabei folgendes zu beachten, mein bester Rodion Romanowitsch: den allgemeinen Fall, auf den alle juristischen Formen und Vorschriften passen, für den sie, wie sie in den Büchern stehen, berechnet sind, gibt es in Wirklichkeit gar nicht, denn jede Sache, ohne Ausnahme, sogar zum Beispiel das Verbrechen, wird, sobald es in Wirklichkeit geschieht, zu einem ausgesprochenen Einzelfall; zuweilen sogar zu einem solchen, der unter den vorhergehenden nicht seinesgleichen hat. In dieser Beziehung gibt es zuweilen sehr komische Fälle. Wenn ich manchen Herrn vollkommen in Ruhe lasse, ihn nicht verhafte und nicht belästige, aber dafür sorge, daß er jede Stunde und jede Minute wisse oder wenigstens vermute, daß ich alles weiß, daß ich alle Fäden aufgedeckt habe, ihn Tag und Nacht beobachte und bewache, und wenn er sich bewußt unter ewigem Verdachte und in ständiger Angst fühlt, so wird er, bei Gott, ganz verrückt; dann kann er auch selbst zu mir kommen und vielleicht noch etwas anstellen, was dem Zweimalzwei ähnlich sieht, was sozusagen ein mathematisches Aussehen hat – und das ist höchst angenehm. Das kann auch mit einem dummen Bauern geschehen, mit unsereinem aber, einem modern gebildeten und in einer bestimmten Richtung entwickelten Menschen erst recht! Darum ist es, mein Lieber, so wichtig, festzustellen, in welcher Richtung der Mensch entwickelt ist. Und erst die Nerven, die Nerven, die haben Sie ganz vergessen! Alle diese Menschen sind heutzutage krank, heruntergekommen und gereizt! ... Und wieviel Galle sie alle haben! Das ist doch, sage ich Ihnen, eine Goldgrube ihrer Art! Und was soll ich mich beunruhigen, wenn er ungefesselt in der Stadt herumspaziert!? Soll er nur vorläufig spazierengehen, soll er nur; ich weiß auch ohnehin, daß er mein Opferchen ist und nirgends durchbrennt! Wohin soll er auch durchbrennen? He-he! Vielleicht ins Ausland? Ins Ausland wird der Pole durchbrennen, doch nicht er , um so mehr, als ich ihn beobachte und auch Maßregeln ergriffen habe. Wird er vielleicht in die Tiefe des Vaterlandes fliehen? Dort leben aber die Bauern, die echten, einfachen, russischen Bauern; so ein modern gebildeter Mensch wird eher das Zuchthaus vorziehen, als mit solchen Ausländern, wie es unsere Bauern sind, zu leben, he-he! Dies alles ist aber Unsinn und nur äußerlich. Was heißt das: er wird durchbrennen? Das ist ja nur Form, und nicht Hauptsache; er wird mir nicht nur deshalb nicht durchbrennen, weil er nirgendhin durchbrennen kann, – er wird mir psychologisch nicht durchbrennen, he-he! Das ist doch ein netter Ausdruck! Er wird mir schon nach dem Naturgesetz nicht durchbrennen, selbst wenn er wüßte, wohin. Haben Sie mal einen Schmetterling vor einer Kerze gesehen? So wird auch er immer um mich wie um eine Kerze herumschwirren; seine Freiheit wird ihn nicht mehr freuen, er wird nachdenklich werden, sich verwirren, wird sich selbst wie in ein Netz verstricken und Todesangst leiden! ... Und noch mehr als das: er wird mir selbst eine mathematische Überraschung, wie zweimal zwei liefern, wenn ich ihm nur eine möglichst lange Spanne Zeit dazu lasse ... Und er wird immer, immer seine Kreise um mich ziehen, mit immer kleinerem Radius, und – hat ihn schon! Er wird mir direkt in den Mund fliegen, und ich werde ihn verschlucken, das ist schon sehr angenehm, he-he-he! Sie glauben es nicht?«
    Raskolnikow gab keine Antwort. Er saß bleich und unbeweglich da und blickte Porfirij mit der gleichen Spannung ins Gesicht.
    – Das ist eine gute Lehre! – dachte er erschauernd. – Das ist nicht mehr das Spiel der Katze mit der Maus, wie gestern. Er wird mir doch nicht nutzlos seine Kraft zeigen und ... mir etwas suggerieren; er ist viel zu klug dazu ... Er hat ein anderes Ziel, doch was für eins? Ach, Unsinn, Bruder, du schwindelst und willst mir nur Angst machen: Du hast gar keine Beweise, und der gestrige Mann existiert nicht! Du willst mich einfach aus dem Konzept bringen, mich vorzeitig reizen und in diesem Zustande einfangen; aber du irrst, es wird dir nicht gelingen! Aber warum suggeriert er mir alles mit solcher Energie? ... Er spekuliert auf meine kranken Nerven! ... Nein, Bruder, du irrst, es wird dir nicht gelingen, und wenn du auch etwas vorbereitet hast ... Nun, wollen wir sehen, was du vorbereitet hast.
    Und er nahm alle seine Kräfte zusammen, um auf eine schreckliche und unbekannte Katastrophe bereit zu sein. Zuweilen

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