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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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ihm zum erstenmal auch glückt, den andern zu betrügen, so kann sich der andere über Nacht die Sache überlegen, wenn er nicht zu dumm ist. Und so ist es auf Schritt und Tritt! Und noch mehr als das: Er fängt an, vorauszueilen, steckt überall seine Nase hinein, redet ununterbrochen davon, wovon er eigentlich schweigen müßte, läßt allerlei Andeutungen los, he-he! – kommt auch selbst und fragt: Warum nimmt man mich so lange nicht fest? He-he-he! Und das kann auch dem geistreichsten Menschen passieren, einem Psychologen und Literaten! Die Natur ist ein Spiegel, der beste Spiegel! Sieh nur hinein und erfreue dich, ja, so ist es! Warum sind Sie aber so blaß geworden, Rodion Romanowitsch? Ist es hier nicht zu dumpf, soll ich nicht das Fensterchen aufmachen?«
    »Oh, bemühen Sie sich, bitte, nicht!« rief Raskolnikow und lachte plötzlich auf. »Bemühen Sie sich, bitte, nicht!«
    Porfirij blieb vor ihm stehen, wartete eine Weile und fing selbst zu lachen an; Raskolnikow erhob sich vom Sofa und brach plötzlich seinen krampfartigen Lachanfall ab.
    »Porfirij Petrowitsch!« sagte er laut und deutlich, obwohl er sich auf den zitternden Füßen kaum halten konnte. »Ich sehe endlich klar, daß Sie mich des Mordes an dieser Alten und ihrer Schwester Lisaweta verdächtigen. Meinerseits erkläre ich Ihnen, daß mir das alles schon längst zu dumm ist. Wenn Sie glauben, daß Sie ein Recht haben, mich gesetzlich zu verfolgen, so verfolgen Sie mich, – zu verhaften, so verhaften Sie mich. Aber daß man mir ins Gesicht lacht und mich quält, das erlaube ich nicht ...«
    Plötzlich zitterten seine Lippen, seine Augen funkelten vor Wut, und die bisher zurückgehaltene Stimme klang hell und laut.
    »Das erlaube ich nicht!« schrie er plötzlich auf und schlug aus aller Kraft mit der Faust auf den Tisch. »Hören Sie es, Porfirij Petrowitsch? Ich erlaube es nicht!«
    »Ach, mein Gott, was haben Sie wieder!« rief Porfirij Petrowitsch, der wirklich erschreckt schien. »Väterchen, Rodion Romanowitsch! Liebster! Väterchen! Was haben Sie nur?«
    »Ich erlaube es nicht!« rief Raskolnikow noch einmal.
    »Väterchen, seien Sie still! Man wird es ja hören und herkommen! Was sollen wir dann sagen, bedenken Sie es doch!« flüsterte Porfirij Petrowitsch ganz entsetzt, indem er sein Gesicht dem Raskolnikows näherte.
    »Ich erlaube es nicht, ich erlaube es nicht!« wiederholte Raskolnikow mechanisch, aber plötzlich im Flüsterton.
    Porfirij wandte sich schnell um und lief zum Fenster, um es zu öffnen.
    »Frische Luft! Sie müßten auch etwas Wasser trinken, mein Liebster, es ist ja ein Anfall!«
    Er stürzte schon zur Tür, um Wasser bringen zu lassen, aber in der Ecke fand sich zum Glück eine Wasserkaraffe.
    »Väterchen, trinken Sie doch,« flüsterte er, mit der Karaffe zu ihm stürzend, »vielleicht wird es Ihnen helfen ...«
    Der Schreck und selbst die Teilnahme Porfirij Petrowitschs waren so natürlich, daß Raskolnikow verstummte und ihn mit wahnsinniger Neugier zu betrachten begann. Das Wasser nahm er jedoch nicht an.
    »Rodion Romanowitsch! Liebster! So können Sie noch den Verstand verlieren! Ach! Trinken Sie doch, trinken Sie doch wenigstens etwas!«
    Er zwang ihn dabei, das Glas Wasser in die Hand zu nehmen. Jener führte es mechanisch an die Lippen, besann sich aber und stellte es angeekelt auf den Tisch.
    »Ja, Sie haben einen kleinen Anfall gehabt. So werden Sie, mein Lieber, wieder die alte Krankheit kriegen!« gackerte mit freundschaftlicher Teilnahme Porfirij Petrowitsch, der übrigens noch immer fassungslos schien. »Mein Gott, wie kann man sich nur so gar nicht schonen? Auch Dmitrij Prokofjitsch war gestern bei mir – ich gebe zu, ich gebe zu, daß ich einen unangenehmen, schlechten Charakter habe, aber was Sie daraus für Schlüsse gezogen haben! ... Mein Gott! Er kam gestern zu mir, gleich als Sie gegangen waren, wir aßen zu Mittag, er redete und redete, ich starrte ihn bloß an; und ich denke mir ... du lieber Gott! War er etwa in Ihrem Auftrage gekommen? Setzen Sie sich doch, Väterchen, setzen Sie sich um Christi willen!«
    »Nein, nicht in meinem Auftrage! Aber ich wußte, daß er zu Ihnen gegangen war und warum er gegangen war«, antwortete Raskolnikow scharf.
    »Sie wußten es?«
    »Ich wußte es. Was ist denn dabei?«
    »Ja, Väterchen, Rodion Romanowitsch, ich weiß noch ganz andere Dinge von Ihnen; alles ist mir bekannt! Ich weiß ja, wie Sie eine Wohnung mieten gingen, spät am Abend, als es

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