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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Ihnen getäuscht! Sie allein treten für sie ein! Gott selbst hat Sie uns gesandt, Andrej Ssemjonowitsch, Liebster, Väterchen!«
    Und Katerina Iwanowna sank, fast ohne zu wissen, was sie tat, vor ihm in die Knie.
    »Unsinn!« brüllte Luschin, rasend vor Wut. »Sie reden Unsinn, mein Herr ... ›Ich habe es vergessen, habe mich daran erinnert, habe es wieder vergessen‹ – was soll das heißen? Ich habe ihr also den Schein absichtlich zugesteckt? Warum? Zu welchem Zweck? Was habe ich gemein mit dieser ...«
    »Warum? Das verstehe ich auch selbst nicht, aber daß ich nur Tatsachen erzähle, das ist wahr! Ich irre mich so wenig, Sie gemeiner, verbrecherischer Mensch, daß ich mich noch gut erinnere, wie mir damals diese Frage sofort in den Sinn kam, gerade in dem Moment, als ich Ihnen dankte und die Hand drückte. Warum Sie ihr das Geld heimlich in die Tasche gesteckt haben? Warum gerade heimlich? Vielleicht nur aus dem Grunde, weil Sie es vor mir verheimlichen wollten, da Sie wußten, daß ich entgegengesetzter Überzeugung bin und die private Wohltätigkeit, die nichts radikal heilt, ablehne! Ja, ich dachte mir, daß Sie sich vielleicht vor mir wirklich genierten, eine so große Summe zu schenken; außerdem dachte ich mir, daß Sie ihr eine freudige Überraschung bereiten, sie in Erstaunen setzen wollten, wenn sie in ihrer Tasche die hundert Rubel findet. (Denn manche Wohltäter lieben es sehr, ihre Wohltaten auf diese Weise auszuschmücken, ich weiß es.) Dann kam es mir auch vor, als wollten Sie sie prüfen, das heißt, ob sie, wenn sie das Geld findet, zu Ihnen kommt, um sich zu bedanken! Dann dachte ich mir auch, daß Sie keinen Dank wünschten, daß, wie man sagt, die rechte Hand nicht wisse ... mit einem Wort, irgendwie so ... Nun, es kamen mir nicht wenig Gedanken in den Sinn, so daß ich mir vornahm, mir später alles zu überlegen; aber ich hielt es doch für unpassend, Ihnen zu zeigen, daß ich das Geheimnis kenne. Doch kam mir gleich auch diese Frage in den Sinn: Ssofja Ssemjonowna könnte das Geld verlieren, noch ehe sie es bemerkt hätte; darum entschloß ich mich, herzukommen, sie herauszurufen und ihr mitzuteilen, daß man ihr hundert Rubel in die Tasche gesteckt habe. Unterwegs ging ich noch ins Zimmer der Damen Kobyljatnikow, um ihnen die ›Allgemeine Deduktion der positiven Methode‹ zu bringen und besonders den Aufsatz von Piderit (übrigens auch den von Wagner) zu empfehlen; dann kam ich her und erlebte hier diese Geschichte! Konnte ich denn alle diese Gedanken gehabt und alle diese Erwägungen angestellt haben, wenn ich nicht tatsächlich gesehen hätte, daß Sie ihr hundert Rubel in die Tasche gesteckt haben?«
    Als Andrej Ssemjonowitsch mit seinem wortreichen Vortrag, der zu einem so logischen Schlusse führte, fertig war, war er furchtbar ermüdet, und der Schweiß rann ihm von der Stirn. Ach, er konnte nicht einmal ordentlich Russisch sprechen (obwohl er auch keine andere Sprache kannte), so daß er mit einem Male vollständig erschöpft war und nach dieser Advokatentat sogar magerer geworden zu sein schien. Nichtsdestoweniger hatte seine Rede einen außerordentlichen Eindruck gemacht. Er sprach mit solchem Feuer, mit solcher Überzeugung, daß ihm anscheinend alle glaubten. Pjotr Petrowitsch fühlte, daß seine Sache schlecht stand.
    »Was geht es mich an, daß Ihnen diese dummen Fragen in den Sinn gekommen sind!« rief er aus. »Das ist kein Beweis! Sie konnten dies alles im Traume zusammenphantasiert haben, das ist alles! Ich sage Ihnen aber, daß Sie lügen, mein Herr! Sie lügen und verleumden mich aus Bosheit, und zwar aus Arger, daß ich auf Ihre freigeistigen und gottlosen sozialen Vorschläge nicht eingehen wollte, das ist es!«
    Diese Ausrede half aber Pjotr Petrowitsch nichts. Im Gegenteil, von allen Seiten ertönte ein Murren.
    »Ach so, du kommst jetzt damit!« rief Lebesjatnikow. »Du lügst! Ruf die Polizei her, ich aber werde es beschwören! Nur das eine verstehe ich nicht: warum hat er eine solche Gemeinheit riskiert! Oh, elender, gemeiner Mensch!«
    »Ich kann erklären, warum er es riskiert hat, und will, wenn es nötig ist, selbst einen Eid schwören!« sagte endlich Raskolnikow mit fester Stimme und trat vor.
    Er schien fest und ruhig. Allen wurde es bei seinem Anblicke irgendwie klar, daß er wirklich wußte, um was es sich handelte, und daß eine Lösung bevorstand.
    »Jetzt ist mir alles vollkommen klar«, fuhr Raskolnikow fort, sich direkt an Lebesjatnikow

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