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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Sie Zeit gehabt, sie abzuschließen?«
    »Man konnte doch nicht durchs ganze Haus schreien, was wir hier eben sprachen. Ich spotte gar nicht; es ist mir nur zu dumm geworden, diese Sprache zu führen. Wo wollen Sie denn in dieser Verfassung hingehen? Oder wollen Sie ihn verraten? Sie machen ihn noch rasend, und dann wird er sich selbst anzeigen. Vergessen Sie nicht, daß man ihn schon verfolgt, daß man ihm auf der Spur ist. Sie werden ihn nur verraten. Warten Sie: Ich habe ihn eben gesehen und gesprochen; man kann ihn noch retten. Warten Sie, setzen Sie sich, wollen wir es uns zusammen überlegen. Darum habe ich Sie auch herbestellt, um alles unter vier Augen zu besprechen und gut zu überlegen. Setzen Sie sich doch!«
    »Auf welche Weise können Sie ihn retten? Kann man ihn denn retten?«
    Dunja setzte sich. Swidrigailow nahm an ihrer Seite Platz.
    »Das alles hängt von Ihnen ab, von Ihnen allein«, begann er mit funkelnden Augen, fast flüsternd, stotternd und manche Worte nicht zu Ende sprechend.
    Dunja wich erschrocken vor ihm zurück. Auch er zitterte am ganzen Leibe.
    »Sie ... ein einziges Wort von Ihnen, und er ist gerettet; ich ... ich werde ihn retten. Ich habe Geld und Freunde. Ich will ihn sofort fortschicken, ich werde selbst einen Paß besorgen, zwei Pässe. Einen für ihn und einen für mich. Ich habe Freunde, ich kenne Geschäftsleute ... Wollen Sie? Ich nehme auch für Sie einen Paß ... für Ihre Mutter ... was brauchen Sie Rasumichin! Ich liebe Sie ebenso ... Ich liebe Sie grenzenlos. Lassen Sie mich den Saum Ihres Kleides küssen, lassen Sie mich! Lassen Sie mich! Ich kann nicht hören, wie es raschelt. Sagen Sie zu mir: Tue das – und ich werde es tun! Ich werde alles tun. Ich werde das Unmögliche tun. Woran Sie glauben, werde auch ich glauben. Ich will alles, alles tun! Sehen Sie mich nicht so an, nein, nicht so! Wissen Sie auch, daß Sie mich morden? ...«
    Er fing sogar an, irre zu reden. Mit ihm war plötzlich etwas geschehen, als wäre ihm etwas zu Kopf gestiegen. Dunja sprang auf und stürzte zur Tür.
    »Öffnet! Öffnet!« schrie sie, um jemand herbeizurufen, und rüttelte die Tür mit den Händen. »Öffnet doch! Ist denn niemand da?!«
    Swidrigailow stand auf und kam zur Besinnung. Ein böses und spöttisches Lächeln zeigte sich langsam auf seinen noch zitternden Lippen.
    »Dort ist niemand zu Hause«, sagte er langsam, jedes Wort betonend. »Die Wirtin ist fort, und es ist vergebliche Mühe, so zu schreien. Sie regen sich bloß unnütz auf.«
    »Wo ist der Schlüssel? Öffne sofort die Tür, sofort, du gemeiner Mensch!«
    »Ich habe den Schlüssel verloren und kann ihn nicht finden.«
    »Ah! Also ist es eine Vergewaltigung!« schrie Dunja auf. Totenblaß stürzte sie in eine Ecke, wo sie sich schleunigst mit einem Tischchen schützte, das zufällig in der Nähe stand.
    Sie schrie nicht; aber sie bohrte ihren Blick in ihren Peiniger und verfolgte scharf jede seiner Bewegungen. Auch Swidrigailow rührte sich nicht vom Fleck und stand ihr gegenüber am andern Ende des Zimmers. Er hatte sogar die Herrschaft über sich wiedererlangt, wenigstens äußerlich. Aber sein Gesicht war so bleich wie früher. Das spöttische Lächeln wich nicht von seinen Lippen.
    »Sie sprachen eben von ›Vergewaltigung‹, Awdotja Romanowna. Wenn es eine Vergewaltigung ist, so können Sie sich denken, daß ich die nötigen Maßnahmen ergriffen habe. Ssofja Ssemjonowna ist nicht zu Hause, zu den Kapernaumows ist es weit: Fünf verschlossene Zimmer liegen dazwischen. Schließlich bin ich mindestens zweimal so stark als Sie; außerdem habe ich nichts zu befürchten, denn Sie dürfen sich auch nachher nicht beklagen: Sie werden doch Ihren Bruder nicht verraten wollen? Auch wird es Ihnen niemand glauben: Warum ist ein junges Mädchen allein zu einem alleinstehenden Herrn in die Wohnung gekommen? Also selbst wenn Sie Ihren Bruder opfern, beweisen Sie nichts: Eine Vergewaltigung läßt sich sehr schwer nachweisen, Awdotja Romanowna!«
    »Schuft!« flüsterte Dunja entrüstet.
    »Wie Sie wollen, aber beachten Sie, bitte, daß ich es nur als bloße Annahme ausgesprochen habe. Nach meiner persönlichen Meinung haben Sie vollkommen recht: Vergewaltigung ist eine Gemeinheit. Ich sagte es nur, damit auf Ihrem Gewissen nicht die geringste Last bleibt, selbst wenn ... selbst wenn Sie sich entschließen, Ihren Bruder freiwillig zu retten, so wie ich es Ihnen vorschlage. Dann haben Sie sich bloß den Umständen gefügt,

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