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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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überstürzend, mit großer Hast, und das Blut stieg ihr für einen Augenblick in den Kopf.
    »Wenn Sie mir nicht glaubten, wäre es dann möglich, daß Sie riskiert hätten, allein zu mir zu kommen? Warum sind Sie dann hergekommen? Aus bloßer Neugier?«
    »Quälen Sie mich nicht, sprechen Sie, sprechen Sie!«
    »Es ist nicht zu leugnen, daß Sie ein tapferes Mädchen sind. Bei Gott, ich glaubte, Sie würden Herrn Rasumichin bitten, Sie hierher zu begleiten. Aber er war weder mit Ihnen noch in Ihrer Nähe; ich habe mich davon überzeugt. Das ist kühn, folglich wollten Sie Rodion Romanowitsch schonen. Bei Ihnen ist übrigens alles göttlich ... Was aber Ihren Bruder betrifft, – was kann ich Ihnen da sagen? Sie haben ihn doch eben selbst gesehen. Nun, wie sieht er aus?«
    »Sie begründen doch alles nicht darauf!«
    »Nein, nicht darauf, sondern auf seinen eigenen Worten. Zwei Abende hintereinander hat er hier Ssofja Ssemjonowna besucht. Ich zeigte Ihnen, wo sie gesessen haben. Er hat ihr alles gebeichtet. Er ist der Mörder. Er hat die alte Beamtenwitwe, die Wucherin, ermordet, bei der er auch selbst zu versetzen pflegte; er hat auch ihre Schwester, die Händlerin Lisaweta, ermordet, die zufällig während der Ermordung der Schwester gekommen war. Er hat sie beide mit einem Beil ermordet, das er mitgebracht hatte. Er ermordete die beiden, um sie zu berauben, und hat sie auch beraubt; er hat Geld und noch irgendwelche Gegenstände mitgenommen ... Das alles hat er selbst Wort für Wort Ssofja Ssemjonowna erzählt, die allein das Geheimnis weiß, aber am Morde weder durch Wort noch durch Tat teilgenommen hat; sie hat sich davor vielmehr ebenso entsetzt wie Sie jetzt. Sie können ruhig sein: sie wird ihn nicht verraten.«
    »Das kann nicht sein!« stotterte Dunjetschka mit totenblassen Lippen; sie rang um Atem. »Es kann nicht sein, es gibt keine, nicht die geringste Ursache, gar keinen Grund ... Es ist eine Lüge, eine Lüge! ...«
    »Er hat geraubt, das ist der ganze Grund. Er hat sich das Geld und die Sachen angeeignet. Allerdings hat er, nach seinem eigenen Geständnis, weder aus dem Geld noch aus den Sachen Nutzen gezogen, sondern hat sie irgendwo unter einem Stein versteckt, wo sie auch heute noch liegen. Aber nur deshalb, weil er nicht wagte, daraus Nutzen zu ziehen.«
    »Ist es denn möglich, daß er imstande wäre, zu stehlen, zu rauben? Daß er daran auch nur denken konnte?« rief Dunja und sprang vom Stuhle auf. »Sie kennen ihn doch, Sie haben ihn gesehen? Kann er denn ein Dieb sein?«
    Sie flehte Swidrigailow gleichsam an; sie hatte ihre ganze Angst vergessen.
    »Es sind darin Tausende, Millionen von Kombinationen und Kategorien möglich, Awdotja Romanowna. Der Dieb stiehlt, dafür weiß er auch selbst, daß er ein Schuft ist; aber ich hörte, daß ein anständiger Mensch die Post beraubt hat; wer kann es wissen, vielleicht glaubt er wirklich, daß er eine brave Tat vollbracht hat! Natürlich würde ich es nicht geglaubt haben, ebensowenig wie Sie, wenn ich es aus zweiter Hand erfahren hätte. Aber meinen eigenen Ohren mußte ich glauben. Er hat Ssofja Ssemjonowna auch alle Gründe erklärt; sie aber glaubte zuerst auch den eigenen Ohren nicht, endlich glaubte sie es den eigenen Augen. Er hat ihr doch alles persönlich mitgeteilt.«
    »Was waren es denn für Gründe?«
    »Es ist eine lange Geschichte, Awdotja Romanowna. Es ist hier, wie soll ich es Ihnen sagen, eine eigene Theorie dabei, dasselbe, warum ich finde, daß zum Beispiel ein einzelnes Verbrechen erlaubt ist, wenn sein Hauptziel gut ist! Es ist natürlich für einen jungen Mann mit Vorzügen und maßlosem Ehrgeiz auch kränkend, zu wissen, daß, wenn er zum Beispiel nur dreitausend Rubel hätte, seine ganze Karriere, die Zukunft seiner Lebensziele sich anders gestaltet haben würden; aber er hat diese dreitausend Rubel nicht. Fügen Sie hinzu die Reizbarkeit und die Erbitterung infolge des Hungers, der engen Wohnung, der abgerissenen Kleidung, infolge der klaren Einsicht seiner häßlichen sozialen Lage, zugleich aber auch der Lage seiner Mutter und Schwester. Am meisten aber der Ehrgeiz, Stolz und Ehrgeiz – aber Gott weiß, vielleicht hat er dabei auch gute Eigenschaften ... Ich klage ihn ja nicht an, glauben Sie es nur nicht. Es ist auch nicht meine Sache. Er hatte auch eine eigene kleine Theorie, eine gar nicht so üble Theorie, daß die Menschen, sehen Sie, in ›Material‹ und in ›besondere Menschen‹ eingeteilt werden, das heißt in

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