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Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Titel: Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
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nicht zu wundern. Es sei natürlich sehr sonderbar, daß er ganz durchnäßt war, aber die Engländer seien zum Beispiel noch viel exzentrischer, und überhaupt kümmerten sich alle Leute der großen Welt sehr wenig darum, was man von ihnen sagt, und genierten sich nicht. Vielleicht gehe er absichtlich so umher, um zu zeigen, daß er nichts fürchte. Vor allen Dingen dürfe man aber keinem Menschen ein Wort davon sagen, denn Gott allein wisse, was daraus noch werden würde; das Geld müsse sofort eingeschlossen werden, und es sei sicher sehr gut, daß Fedoßja in der Küche geblieben war; das Wichtigste aber sei, kein Wort davon der gerissenen Rößlich zu sagen, und so weiter und so weiter. So blieben sie bis zwei Uhr tuschelnd sitzen. Die Braut ging übrigens viel früher schlafen, erstaunt und ein wenig traurig.
    Swidrigailow passierte indessen Punkt zwölf Uhr die *sche Brücke in der Richtung nach der Petersburger Seite. Es hatte zu regnen aufgehört, aber der Wind brauste noch. Er fing zu zittern an und blickte eine Weile mit besonderem Interesse und sogar fragend auf das schwarze Wasser der Kleinen Newa. Aber es wurde ihm bald viel zu kalt, über dem Wasser zu stehen; er drehte sich um und ging in den *schen Prospekt. Lange, fast eine halbe Stunde, schritt er den unendlichen *schen Prospekt entlang, stolperte mehr als einmal auf dem Holzpflaster, hörte aber nicht auf, aufmerksam etwas auf der rechten Seite des Prospektes zu suchen. Hier, fast am Ende des Prospektes, hatte er einmal zufällig im Vorbeifahren ein hölzernes, doch großes Gasthaus bemerkt, dessen Name, soweit er sich erinnerte, ähnlich wie »Adrianopel« klang. Er hatte sich in seinen Erwartungen nicht getäuscht; das Gasthaus war in dieser Einöde ein so sichtbarer Punkt, daß es ganz unmöglich war, es selbst im Finstern nicht zu finden. Es war ein langgestrecktes, hölzernes, schwarzgewordenes Gebäude, in dem trotz der späten Stunden noch Licht brannte und ein reges Leben zu sehen war. Er trat ein und fragte einen abgerissenen Kerl, den er im Korridor traf, nach einem Zimmer. Der zerlumpte Kerl warf einen Blick auf Swidrigailow, schüttelte sich und führte ihn sofort in ein enges, dumpfes Zimmer, das ganz am Ende des Korridors, in der Ecke unter der Treppe, lag. Ein anderes war aber nicht zu haben; alle Zimmer waren besetzt. Der zerlumpte Kerl sah ihn fragend an.
    »Gibt's Tee?« fragte Swidrigailow.
    »Kann gemacht werden.«
    »Was gibt's noch?«
    »Kalbfleisch, Schnaps, kalten Imbiß.«
    »Bring mir Kalbfleisch und Tee.«
    »Sonst wünschen Sie nichts?« fragte der Kerl sogar mit einigem Erstaunen.
    »Nein, nichts.«
    Der zerlumpte Kerl verschwand vollkommen enttäuscht.
    – Das muß wohl ein guter Ort sein, – dachte Swidrigailow: – wie kommt es, daß ich ihn nicht kannte? Ich habe wohl auch das Aussehen eines Menschen, der aus einem Tingeltangel kommt, aber unterwegs schon eine Geschichte gehabt hat. Es wäre interessant, zu erfahren, wer hier absteigt und übernachtet.
    Er zündete ein Licht an und betrachtete sein Zimmer genauer. Es war eine winzige kleine Kammer, beinahe zu niedrig für Swidrigailows Körpergröße, mit nur einem Fenster. Die Wände sahen so aus, als wären sie aus Brettern zusammengenagelt, und die abgeriebene Tapete war so verstaubt und zerrissen, daß man ihre (gelbe) Farbe noch erraten, aber das Muster nicht mehr unterscheiden konnte. Der eine Teil der Wand und der Decke war schräg abgeschnitten, wie es gewöhnlich in Mansarden ist, aber hier befand sich darüber die Treppe. Swidrigailow stellte das Licht hin, setzte sich aufs Bett und versank in Gedanken. Aber ein sonderbares und ununterbrochenes Flüstern im Nebenzimmer, das sich zuweilen fast bis zu einem Geschrei steigerte, lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Dieses Geflüster hatte seit dem Augenblick, als er eingetreten war, nicht aufgehört. Er lauschte: jemand schimpfte und überschüttete einen anderen weinend mit Vorwürfen, aber man hörte nur eine Stimme. Swidrigailow erhob sich verdeckte mit der Hand die Kerzenflamme und sah sofort an der Wand eine Ritze aufblitzen; er ging heran und blickte hinein. In dem Zimmer, das etwas größer war als das seinige, befanden sich zwei Gäste. Der eine, ohne Rock, mit lockigem Kopf und rotem, erregtem Gesicht, stand in Rednerpose da, die Beine weit auseinander, um das Gleichgewicht zu bewahren, schlug sich mit der Hand vor die Brust und warf dem anderen pathetisch vor, daß er ein Bettler sei und sogar

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