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Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Titel: Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
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übrigens höchst harmlos und erlaubt war. Sogar das vielleicht etwas allzu selbstzufriedene Bewußtsein seiner angenehmen Veränderung zum Besseren konnte ihm in diesem Falle nachgesehen werden, denn Pjotr Petrowitsch befand sich ja im Stande eines Bräutigams. Seine ganze Kleidung war soeben vom Schneider gekommen, und alles war schön; auszusetzen wäre vielleicht nur, daß alles viel zu neu war und den bestimmten Zweck zu sehr unterstrich. Selbst der elegante, neue runde Hut zeugte von diesem Zweck: Pjotr Petrowitsch behandelte ihn allzu respektvoll und hielt ihn allzu vorsichtig in den Händen. Selbst das wunderschöne Paar fliederfarbener Handschuhe – ein echtes Erzeugnis von Jouvin – zeugte davon, wenn auch nur dadurch, daß er sie nicht angezogen hatte, sondern als Paradestück in der Hand hielt. In der Kleidung Pjotr Petrowitschs herrschten helle und jugendliche Farben vor. Er trug einen hübschen hellbraunen Sommerrock, eine leichte helle Hose, eine Weste aus dem gleichen Stoff, soeben angeschaffte feine Wäsche und eine sehr leichte Battistkrawatte mit rosa Streifen, und das beste daran war, daß dies alles Pjotr Petrowitsch nett zu Gesicht stand. Sein frisches und sogar hübsches Gesicht ließ ihn auch ohnehin jünger als fünfundvierzig Jahre, die er zählte, erscheinen. Der dunkle Backenbart umrahmte es in Form zweier Koteletts anmutig von beiden Seiten und verdichtete sich sehr hübsch an seinem glänzenden, sorgfältig rasierten Kinn. Sogar seine übrigens nur hier und da ergrauten Haare, die vom Friseur gekämmt und gekräuselt waren, erschienen dadurch in keiner Weise lächerlich oder dumm, was doch meistens bei gekräuselten Haaren der Fall ist, weil sie dem Gesicht unbedingt die Ähnlichkeit mit einem Deutschen verleihen, der zur Trauung geht. Und wenn in diesem recht hübschen und soliden Gesicht wirklich etwas Unangenehmes und Abstoßendes lag, so beruhte das auf anderen Ursachen. Nachdem Raskolnikow Herrn Luschin recht ungeniert betrachtet hatte, lächelte er giftig, ließ sich wieder auf das Kissen fallen und begann wie früher auf die Decke zu sehen.
    Herr Luschin nahm sich aber zusammen und entschloß sich anscheinend, diesen Eigentümlichkeiten vorerst keine Beachtung zu schenken.
    »Ich bedaure sehr lebhaft, daß ich Sie in diesem Zustande treffe«, begann er wieder, mit Mühe das Schweigen brechend. »Wenn ich von Ihrem Zustande etwas gewußt hätte, so wäre ich schon früher gekommen. Aber, wissen Sie, die Geschäfte! ... Außerdem habe ich eine sehr wichtige Sache im Senat, die meine Advokatenpraxis betrifft. Die anderen Sorgen, die Sie leicht erraten können, erwähne ich gar nicht. Die Ihrigen, das heißt Ihre Frau Mama und Schwester, erwarte ich von Stunde zu Stunde ...«
    Raskolnikow machte eine Bewegung und wollte etwas sagen. Sein Gesicht drückte einige Erregung aus. Pjotr Petrowitsch hielt inne und wartete; da aber nichts erfolgte, fuhr er fort:
    »... Von Stunde zu Stunde. Ich habe für sie zunächst eine Wohnung gefunden ...«
    »Wo?« fragte Raskolnikow mit schwacher Stimme.
    »Gar nicht weit von hier, im Hause Bakalejews ...«
    »Das ist auf dem Wosnesenskij-Prospekt«, unterbrach ihn Rasumichin. »Dort sind zwei Stockwerke voller möblierter Zimmer. Sie gehören dem Kaufmann Juschin; ich bin dort schon mal gewesen.«
    »Ja, es sind möblierte Zimmer ...«
    »Fürchterlich und ekelhaft: Schmutz, Gestank und außerdem ein verdächtiger Ort: es ist da manches passiert. Auch weiß der Teufel, wer da nicht alles wohnt! ... Ich selbst bin dort mal anläßlich einer Skandalaffäre gewesen. Übrigens ist es billig.«
    »Selbstverständlich konnte ich dies alles gar nicht erfahren, denn ich bin hier neu«, antwortete Pjotr Petrowitsch empfindlich. »Es sind übrigens zwei außerordentlich saubere Zimmerchen, und da es sich nur um eine kurze Zeit handelt ... Ich habe auch schon eine wirkliche, das heißt unsere zukünftige Wohnung gemietet«, wandte er sich an Raskolnikow, »und jetzt wird sie fertiggemacht; inzwischen hause ich auch selbst in einem möblierten Zimmer, zwei Schritte von hier, bei der Frau Lippewechsel, in der Wohnung meines jungen Freundes Andrej Ssemjonytsch Lebesjatnikow; er hat mir auch das Haus Bakalejews empfohlen ...«
    »Bei Lebesjatnikow?« sagte Raskolnikow langsam, als ob er sich auf etwas besinne.
    »Ja, bei Andrej Ssemjonytsch Lebesjatnikow, der im Ministerium angestellt ist. Kennen Sie ihn?«
    »Nein ...« antwortete Raskolnikow.
    »Entschuldigen

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