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Verbrechen und Strafe

Verbrechen und Strafe

Titel: Verbrechen und Strafe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
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lassen. Es ist nämlich meine Ansicht, daß man Katerina Iwanowna kein Geld in die Hand geben darf und daß es sogar gefährlich wäre; ein Beweis dafür ist das heutige Totenmahl. Obwohl sie keine Brotrinde für morgen hat und ... auch kein Schuhwerk und überhaupt nichts, kauft sie heute Jamaika-Rum und sogar, glaube ich, Madeira ... und Kaffee. Ich sah es im Vorbeigehen. Morgen werden Sie es alles bis zum letzten Bissen Brot wieder büßen müssen; das ist schon ganz dumm. Darum muß die Kollekte, meiner Ansicht nach, so gemacht werden, daß die unglückliche Witwe vom Gelde sozusagen nichts erfährt und nur Sie zum Beispiel allein davon wissen. Habe ich recht?«
    »Ich weiß es nicht. Sie ist nur heute so ... ein einziges Mal im Leben ... sie wollte so gerne das Totenmahl machen, dem Toten die Ehre erweisen, sein Andenken ehren ... sie ist aber sehr klug. Übrigens, ganz wie Sie wollen, ich werde Ihnen sehr ... auch die anderen ... und Gott wird es Ihnen ... auch die Waisenkinder ...«
    Ssonja kam nicht weiter und fing zu weinen an.
    »So. Nun denken Sie daran; jetzt aber wollen Sie von mir für Ihre Verwandte fürs erste eine meinen Verhältnissen entsprechende Summe annehmen. Es wäre mir außerordentlich erwünscht, daß mein Name dabei nicht erwähnt werde. Hier ... da ich sozusagen eigene Sorgen habe, bin ich nicht imstande, mehr zu geben ...«
    Und Pjotr Petrowitsch reichte Ssonja einen sorgfältig entfalteten Zehnrubelschein. Ssonja nahm das Geld, errötete, murmelte etwas und begann sich eilig zu verabschieden. Pjotr Petrowitsch begleitete sie schnell zur Tür. Sie sprang schließlich aus dem Zimmer, aufs tiefste erregt und abgequält, und kehrte in größter Verlegenheit zu Katerina Iwanowna zurück.
    Während dieser ganzen Szene stand Andrej Ssemjonowitsch bald am Fenster und ging bald im Zimmer auf und ab. Als aber Ssonja fort war, ging er auf Pjotr Petrowitsch zu und reichte ihm feierlich die Hand.
    »Ich habe alles gehört und gesehen «, sagte er, das letzte Wort besonders betonend. »Es ist edel, das heißt, ich wollte sagen, human! Sie wollten ihrem Dank ausweichen, ich sah es! Und obwohl ich, offen gestanden, für die private Wohltätigkeit nichts übrig haben kann, weil sie das Übel nicht radikal ausrottet, sondern noch mehr nährt, muß ich doch gestehen, daß ich Ihr Benehmen mit Vergnügen gesehen habe, ja, es gefiel mir sehr gut.«
    »Ach, das ist alles Unsinn!« murmelte Pjotr Petrowitsch, ein wenig erregt und Lebesjatnikow etwas eigentümlich ansehend.
    »Nein, es ist kein Unsinn! Ein Mensch, der wie Sie durch den gestrigen Vorfall beleidigt und gereizt ist und zugleich fähig ist, an das Unglück anderer zu denken, so ein Mensch ... begeht durch seine Handlungen einen sozialen Fehler, verdient aber jede Achtung! Ich hatte es von Ihnen gar nicht erwartet, Pjotr Petrowitsch, um so mehr, als nach Ihren Begriffen – oh, wie Ihre Begriffe für Sie störend sind! Wie regt Sie zum Beispiel der gestrige Mißerfolg auf!« rief der gutmütige Andrej Ssemjonowitsch, der wieder Sympathie für Pjotr Petrowitsch fühlte. »Und warum, warum wollen Sie unbedingt diese legitime Ehe, edler, lieber Pjotr Petrowitsch? Was brauchen Sie unbedingt diese Gesetzlichkeit in der Ehe? Nun, schlagen Sie mich, wenn Sie wollen, aber ich freue mich, freue mich, daß sie nicht zustande gekommen ist, daß Sie frei sind, daß Sie für die Menschheit noch nicht verloren sind, ich freue mich! ... Sehen Sie, nun habe ich mich ausgesprochen!«
    »Weil ich in Ihrer illegitimen Ehe keine Hörner tragen und keine fremden Kinder züchten will – dazu brauche ich die legitime Ehe«, antwortete Luschin, nur um etwas zu sagen.
    Er war mit irgendeinem Gedanken beschäftigt und nachdenklich.
    »Kinder? Sie berühren die Kinderfrage?« fuhr Andrej Ssemjonowitsch auf wie ein Schlachtroß beim Klange der Kriegstrompete. »Diese Frage ist eine soziale und von höchster Bedeutung, das gebe ich zu; aber sie wird anders gelöst werden. Viele negieren vollkommen die Kinder, als etwas, was auf die Familie hindeutet. Von den Kindern wollen wir später reden und uns jetzt den Hörnern zuwenden. Ich muß gestehen, diese Frage ist meine Schwäche. Dieser abscheuliche, eines Husaren oder eines Puschkin würdige Ausdruck ist im künftigen Lexikon undenkbar. Was sind Hörner? Oh, diese Verirrung! Was für Hörner? Warum Hörner?,.. Welch ein Unsinn! Im Gegen teil, in der ›bürgerlichen‹ Ehe wird es sie gar nicht geben! Die Hörner sind nur eine

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