Verbrechen und Strafe
Bestie, sage ich Ihnen; sie denkt sich wohl, ich fange mich wieder zu langweilen an, lasse die Frau sitzen und fahre fort, die Frau wird aber dann ihr zufallen, und sie wird sie in Verkehr bringen, das heißt, in unseren Kreisen und noch höher hinauf. Es gibt, sagte sie mir, einen gelähmten Vater, einen ehemaligen Beamten, der in einem Sessel sitzt und das dritte Jahr die Beine nicht bewegen kann. Es gibt, sagt sie mir, auch eine Mama, eine höchst vernünftige Dame. Der Sohn sitzt irgendwo in der Provinz und hilft ihnen nicht. Eine Tochter ist verheiratet und kommt nie zu den Eltern; dafür sitzen ihnen zwei kleine Neffen auf dem Halse (als ob sie nicht genug an den eigenen Kindern hätten), und sie haben ihre jüngste Tochter aus der Töchterschule genommen, die sie noch gar nicht absolviert hat; die wird in einem Monat erst sechzehn Jahre alt, also kann man sie in einem Monat verheiraten. Das heißt, mit mir. Wir gingen einmal hin; so komisch geht es bei solchen Leuten zu; ich stelle mich vor: Gutsbesitzer, Witwer, von guter Familie, mit den und den Verbindungen und einem Vermögen; was macht's, daß ich Fünfziger bin und sie nicht mal sechzehn ist? Wer sieht auf so was? Das ist doch verlockend, ha-ha! Sie hätten sehen sollen, wie ich mich mit dem Papa und der Mama unterhielt. Sie erscheint, macht einen Knicks; nun, Sie können sich denken, noch in kurzem Kleidchen, eine noch unaufgebrochene Knospe; sie errötet wie das Morgenrot (man hatte sie natürlich über meinen Besuch unterrichtet). Ich weiß nicht, was Sie für einen Geschmack in bezug auf Frauengesichter haben, ich bin aber der Ansicht, daß diese sechzehn Jahre, diese noch kindlichen Augen, diese Schüchternheit und diese Tränen der Scham schöner sind als die Schönheit selbst; zudem ist sie auch bildhübsch. Hellblonde Haare, zu Locken gekräuselt, wie ein Lämmchen, volle, rote Lippen, die Füßchen – ein Entzücken! ... Nun, wir lernten uns kennen, ich erklärte, daß ich infolge häuslicher Angelegenheiten Eile habe, und schon am nächsten Tage, das heißt vorgestern, gab man uns den Segen. Von nun an, wenn ich hinkomme, nehme ich sie sofort zu mir auf den Schoß und lasse sie nicht mehr herunter ... Nun, sie erglüht wie das Morgenrot, ich aber küsse sie jeden Augenblick; die Mama sagt ihr natürlich, daß ich ihr Gatte sei und daß es so sein müsse, mit einem Wort, ein Genuß! Mein jetziger Bräutigamstand ist vielleicht noch besser als der eines Gatten. Hier ist das, was man la nature et la vérité nennt! Ha-ha! An die zweimal habe ich mich mit ihr sogar unterhalten, das Mädel ist gar nicht dumm; manchmal sieht sie mich so verstohlen an, daß es durch Mark und Bein geht. Wissen Sie, sie hat das Gesicht wie die Madonna von Raffael. Die Sixtinische Madonna hat doch ein ganz phantastisches Gesicht, das Gesicht einer Trauernden und Wahnsinnigen, ist Ihnen das aufgefallen? Nun, auch ihr Gesicht ist in dieser Art. Kaum hatte man uns den Segen erteilt, als ich schon am nächsten Tage für fünfzehnhundert Rubel Geschenke mitbrachte: einen Brillantenschmuck, einen Perlenschmuck und einen silbernen Toilettenkasten, von dieser Größe, mit allen möglichen Dingen drin, und da errötete sogar ihr Madonnengesicht. Wie ich sie gestern zu mir auf den Schoß setzte, wahrscheinlich machte ich es schon gar zu ungeniert, da wurde sie über und über rot, die Tränen kamen ihr in die Augen; sie wollte es aber nicht zeigen und glühte nur wie im Fieber. Alle gingen für einen Augenblick hinaus, und als wir beide allein blieben, fiel sie mir plötzlich um den Hals (zum erstenmal), umarmte mich mit beiden Händchen, küßte mich und schwur, daß sie mir eine gehorsame, treue und gute Frau sein werde, daß sie mich glücklich machen werde, daß sie ihr ganzes Leben, jeden Augenblick ihres Lebens, alles, alles opfern wolle, nur um meine Achtung allein zu erlangen; ›sonst‹, sagt sie, ›brauche ich nichts, nichts, keine Geschenke!‹ Sie werden doch zugeben, daß ein solches Geständnis unter vier Augen von einem solchen sechzehnjährigen kleinen Engel in Tüllkleidchen, mit blonden Locken, mit jungfräulicher Schamröte im Gesicht und den Tränen des Enthusiasmus in den Augen, anzuhören, – Sie werden doch zugeben, daß es recht verlockend ist! Es ist doch verlockend! Es ist doch was wert, nicht? Es ist was wert! Nun ... nun, hören Sie ... nun, wollen wir doch zu meiner Braut fahren ... aber nicht jetzt gleich!«
»Mit einem Wort, dieser
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