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Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom

Titel: Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse Auth
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Endlich frei
    München, Mitte 2008
     
     
     
     
    D ie Tür fliegt auf, und Anette stürmt herein. Na, die hat’s aber eilig, zur Arbeit zu kommen. Doch warum gestikuliert sie jetzt zu mir herüber? Ich entschuldige mich bei der Kundin, die ich gerade frisiere, und eile zu meiner Mitarbeiterin. Triumphierend hält Anette mir ein zusammengefaltetes Papierchen unter die Nase.
    »Überraschung! Schau mal, was ich gefunden habe! Es ist von dir!«
    Ja, ich erkenne den Schnipsel wieder. Und zwar auf Anhieb. Aber wie konnte er in fremde Hände geraten?
    »Ich habe ihn in der Chloé-Handtasche gefunden, die du mir vererbt hast.«
    Aha, als ich sie ausräumte, muss er sich wohl im Futter verborgen haben. Leicht verlegen beäuge ich Anette. Sie scheint die Situation richtig zu genießen.
    »Nun lies doch mal!«
    Keck stemmt sie die Hände in die Hüften.
    »Weißt du eigentlich, worum es hier geht?«
    Natürlich weiß ich das. Aber um sie nicht noch weiter anzustacheln, entfalte ich das Papierchen mit demonstrativer Gelassenheit, streiche es umständlich glatt und lese es ihr vor. Aber gerade nur so laut, dass es sonst niemand
hören kann. Kulak misafiri olmak - Ohrengäste, nein danke! Nicht hier, in meinem Salon, in aller Öffentlichkeit. Denn da steht:
    An das Universum, 29. 10. 05
     
    Ich wünsche mir in München ein Frisörgeschäft. Es soll die beste
Lage haben, um die 150 Quadratmeter groß, sichtbar für jeden.
Ich wünsche mir da viel Erfolg und gelingendes Geldverdienen.
Ich wünsche mir, dass es immer in den Zeitungen erscheint.
Bitte bis Anfang nächsten Jahres. Danke.
    Anette schaut mir mit dem Ausdruck des Erstaunens, ja der Bewunderung ist Gesicht.
    »Also, ich find’s unglaublich! Das hier …«
    Sie zeigt auf den Zettel in meiner Hand.
    »… ist genau das hier !«
    Sie macht eine ausladende Geste, die den ganzen Raum umschließt.
    »Also Anette, ich muss dir das erklären, ja? Du, lass uns heute zusammen mittagessen gehen. Da kann ich dir in Ruhe erzählen, was es mit diesem Fetzen hier auf sich hat.«
    Mit gespielter Gleichgültigkeit stecke ich den Zettel ein. Er gehört schließlich mir. Jetzt bin ich Anette zwar erst recht eine Erklärung schuldig, doch immerhin habe ich mir eine Denkpause verschafft. Sie freut sich über die Einladung. Vermutlich auch darüber, ein Geheimnis ihrer Chefin gelüftet zu haben.

    Die Geschichte dieses Zettels begann Monate vor seiner Beschriftung, in einer Unterhaltung, die ich mit einer Kundin führte. Das war noch im Salon in der Frankfurter Freßgass, den ich zusammen mit meiner Zwillingsschwester Hatice führte. Mit dieser Kundin kam ich auf eine ausgesprochen angenehme Weise ins Gespräch. Selbst nach fast 30 Jahren »hinter dem Stuhl«, wie wir Friseure es nennen, versetzt es mich doch immer noch in Erstaunen, welche Vertrautheit zwischen zwei Menschen bei einem scheinbar so simplen Vorgang wie dem Haareschneiden entstehen kann.
    Wenn Menschen hübsch gemacht werden wollen, beginnen sie sich zu öffnen. Anders gesagt: Sie melden ihr Bedürfnis nach Kommunikation an. Das kann bei einer unverbindlichen Plauderei bleiben, aber auch in sehr private Themen gehen. Für mich heißt es, beidem gerecht zu werden. Der eine ist zufrieden, wenn ihm nur zugehört wird, eine andere erwartet, dass ich zu sehr persönlichen Fragen Stellung nehme. Und das, während ich selbst voll in Betrieb bin - Shampoonieren, Schneiden, Färben, Wickeln und so weiter. Nur gut, dass mir »nichts Menschliches fremd« ist, wie man in Deutschland sagt. Wobei ich, ehrlich gesagt, erst begreifen musste, was mit dieser Redensart gemeint ist. Was wäre das wohl für eine Welt, in der uns Menschen das Menschliche fremd ist?
    Vielleicht eine Welt, in der niemand mehr zuhört. Selbst wenn man (so wie ich) nicht besonders gut darin ist, Ratschläge zu erteilen, kann man durch Zuhören und Anteilnehmen doch immerhin eines erreichen: etwas mehr positive Energie in die Welt zu bringen!

    Zurück zu meiner Kundin. Sie kam mir irgendwie bekannt vor. Doch konnte ich sie nicht recht einordnen. Beim Shampoonieren fragte ich sie einfach ganz direkt:
    »Woher kenne ich Ihr Gesicht?«
    Es stellte sich heraus, dass sie Schauspielerin war. Eigentlich nichts Ungewöhnliches für mich, und es war mir alles andere als fremd, während meiner Arbeit ein Schwätzchen über gesellschaftliche Themen zu halten. Bei dieser Dame jedoch lief es anders. Schnell stellte sich heraus, dass wir einen guten Draht zueinander hatten.

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