Verbrecher und Versager.
sie über die Grenze sind, hat er das Schicksal der Männer vergessen.
Aber dreimal hat der Herzog Pilatus gespielt, hat den Mannschaften ehrenhalber versichert, dass der, dem das Herz aus der Uniform rutscht, sie noch vor der Abreise ablegen darf. Und was die Offiziere betrifft, betreibt der Herzog ein zweites Geschäft. So großartig schreibt er die Posten aus, so ehrenvoll malt er die Zukunft der Männer, dass, wer Regimentsoffizier werden will, den Herzog dafür bezahlen muss. Die müssen ihr Elend kaufen, und sie kaufen es gern.
Womit Kapf sein Elend bezahlen will? Im Erfinden von Not ist er groß und katholisch, sechs Vornamen, jeder Name ein Schicksal, er malt seine Lage in schillernden Farben, spricht von hungrigen Eltern und blassen Geschwistern, die gleichfalls jedes sechs Vornamen tragen, der ist bei den Jesuiten gewesen, und einer trage des anderen Last. Die Wäsche, den üblichen Schuldenberg und eine lange Rede in Versen, in der er die Schönheit der Witwen preist. Was ist der Mann ohne Frau, Frau Vischer, und ich sage, Kapf, das kommt mit auf die Rechnung, was Sie heute nicht zah- len, das zahlen Sie morgen, in welcher Münze, das weiß ich noch nicht, Ihr katholischer Gott weiß es aber schon jetzt.
Und wie Kapf das Reisefieber schüttelt! Doch noch schiebt er auf Hohenasperg die Schicht, dort muss er den Dichter Schubart bewachen, dem es schlechter als Schiller ergangen ist, ein Mann, der sich auch nur wegtrinken wollte, in weiter entfernte bessere Welten. Der sitzt jetzt ein, für nichts als Verse, die dem Herzog etwas missfallen haben. Aber ich halte die Wette. Schubart wird einen Abschiedschor schreiben, ohne Musik lässt man Männer nicht ziehen. Ein einfaches, schönes, ergreifendes Lied, versehen mit einer Melodie, die auch der Dümmste noch mitpfeifen kann und die man auf ewig nicht wieder vergisst, ein Lied, das die Männer noch trösten wird, wenn sie schon längst auf Schiffen sitzen und mühsam versuchen, sich zu erinnern, wie sie dorthin gekommen sind.
Doch dann ist es zu spät, denn über das Wasser geht keiner zu Fuß, die erste Sohle löst sich vom Stiefel, noch bevor man ein Schiff nur von weitem sieht. Die eckige Schulter setzt Schimmel an, die goldenen Knöpfe beginnen zu rosten, schon in Holland schläft man nicht mehr in Betten. Mann auf Mann stopft man zwischen die Matten, man weiß dort genau, wie das Sparen geht. Der Soldat soll schon vor der Seereise lernen, was es heißt, etwas enger zu liegen.
Ich bin trotzdem nach Ludwigsburg gefahren und habe den traurigen Auszug bestaunt. Der Truppe voran ein Rattenfänger, die frisch geschneiderte Uniform lügt, sie wird nicht einmal bis Holland halten, es regnet nämlich schon jetzt in Strömen. Wie das Narrenkostüm beschaffen ist? Schon beim bloßen Anblick gerät man ins Schwitzen, eine Uniform wie zum Sterben gemacht, die wird in der afrikanischen Hitze die Männer auch kampflos zur Strecke bringen. Doch für den Moment denkt hier niemand ans Sterben, alle sind vollauf mit Schönsein beschäftigt und damit, im richtigen Takt zu bleiben. Nur die Frauen riechen den Braten sofort, stehn am Straßenrand, Gesichter wie doppelt gebleichte Tücher, und halten die Kinder fest an der Hand, die winken und wissen gar nicht, warum.
Und damit auch kein Auge trocken bleibt, beginnt man zu singen: Auf! Auf ihr Brüder und seid stark, der Abschiedstag ist da, schwer liegt er auf der Seele, schwer, wir sollen über Land und Meer ins heiße Afrika. Und setzt sich fort in endlosen Versen, Schubart hat keine Mühe gescheut, hat alles, was Beine hat, aufgeboten, Mütter und Väter und Liebchen und Freunde, die stehen um uns her, und knüpft so manches teure Band an unser deutsches Vaterland, drum fällt der Abschied schwer. Lebt wohl ihr Freunde, sehn wir uns vielleicht zum letzten Mal, so denkt, nicht für die kurze Zeit, Freundschaft ist für die Ewigkeit, und Gott ist überall.
Ein geselliger Gott, der tags fröhlich marschiert und nachts beim Wein die Karten traktiert. Hombre ist schließlich auch nur ein Spiel, und Schubart malt alles in schönsten Farben, Tafelberg, Hoffnungskap, Götterwein, Gedichte sind ja geräumig und groß, und wenn Soldat und Offizier gesund ans Ufer springt, dann jubeln wir, ihr Brüder, ha!, nun sind wir ja in Afrika, und alles dankt und singt. Wir leben drauf im fernen Land als Deutsche brav und gut, und sagen soll man weit und breit, die Deutschen sind doch brave Leut, sie haben Geist und Mut.
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