Verdammnis
Armanskij übernommen hatte, hatte sie die Struktur des polizeilichen Intranets ausgekundschaftet und die Möglichkeiten ergründet, eigene Suchanfragen durchzuführen. Mit dem Versuch, von außen in dieses Netz einzudringen, war sie fürchterlich auf den Bauch gefallen - außerdem waren die Firewalls der Polizei zu ausgeklügelt und mit allen möglichen Fallen gespickt, dass man mit unbefugtem Eindringen leicht unerwünschte Aufmerksamkeit erregte.
Das interne Netzwerk der Polizei war nach allen Regeln der Kunst mit eigenen Leitungen aufgebaut, ohne jegliche Verbindung nach außen oder zum Internet. Man brauchte mit anderen Worten einen echten Polizisten mit Nutzungsbefugnis, um ins Netzwerk zu gelangen - oder als zweitbeste Lösung: Das Intranet musste glauben, dass sie selbst eine befugte Person war. In dieser Hinsicht hatten die Sicherheitsexperten der Polizei tatsächlich eine gigantische Lücke gelassen. Es gab jede Menge Polizeireviere im ganzen Land, die ans Netzwerk angeschlossen waren, und einige von ihnen waren so klein, dass sie nachts unbesetzt blieben und vor allem weder über Alarmanlage noch über Wachpersonal verfügten. Zu dieser Sorte gehörte zum Beispiel das Revier in Långvik bei Västerås. Es war auf ungefähr 130 Quadratmetern im selben Gebäude wie die Bibliothek und die Krankenkasse untergebracht und war tagsüber mit drei Polizisten besetzt.
Lisbeth Salander war es zwar nicht gelungen, sich für ihre aktuellen Recherchen ins Netzwerk zu hacken, aber sie beschloss, dass es ein wenig Zeit und Energie wert sein könnte, sich Zugang für zukünftige Recherchen zu verschaffen. Sie erwog mehrere Möglichkeiten und bewarb sich dann für den Sommer als Putzfrau in der Bibliothek Långvik. Während sie mit Wischmopps und Putzeimern hantierte, erkundete sie nebenbei innerhalb von zehn Minuten die Lokalitäten. Sie hatte zwar die Schlüssel für das Hauptgebäude, nicht aber für das Polizeirevier selbst. Doch sie hatte entdeckt, dass sie ohne größere Schwierigkeiten durch ein Badezimmerfenster im zweiten Stock einsteigen konnte, das man wegen der Sommerhitze nachts gekippt ließ. Das Revier wurde nur von einer Securitas-Streife bewacht, die auf ihrer Runde jede Nacht ein paarmal vorbeifuhr. Lächerlich.
Sie brauchte ungefähr fünf Minuten, um auf der Schreibtischunterlage des Hauptkommissars Anwendernamen und Passwort zu finden. Schon bald erfasste sie die Struktur des Netzwerks, klärte, welchen access sie hatte und bis zu welcher Sicherheitsstufe sich der freie Zugang des Kommissars erstreckte. Als Bonus bekam sie auch noch die Anwendernamen und Passwörter der beiden anderen Polizisten heraus. Eine von beiden war die 32-jährige Maria Ottosson, in deren Computer sie Informationen darüber fand, dass sie sich kürzlich als Ermittlerin beim Betrugsdezernat in Stockholm beworben und auch eine Stelle bekommen hatte. Bei ihr landete Lisbeth einen Volltreffer, denn sie verwahrte ihren Dell-Laptop in einer unverschlossenen Schreibtischschublade - sie benutzte ihren privaten PC also auch beruflich. Lisbeth fuhr den Computer hoch und legte eine CD mit ihrem Programm Asphyxia 1.0 ein, der allerersten Version ihres Spionageprogramms. Sie platzierte die Software an zwei Stellen, sowohl als aktiv integrierten Teil des Microsoft Explorers als auch als Back-up in Ottossons Adressbuch. Lisbeth rechnete damit, dass Ottosson beim Kauf eines neuen Computers trotzdem ihr altes Adressbuch übernehmen würde. Außerdem war die Chance relativ groß, dass sie das Adressbuch auch in den Computer an ihrem neuen Arbeitsplatz im Betrugsdezernat Stockholm überspielen würde, wenn sie in ein paar Wochen dort ihren Dienst antrat.
Darüber hinaus hinterließ Lisbeth Software in den Computern, die es ihr ermöglichte, die gespeicherten Informationen von außen anzuzapfen. Wenn sie sich als einer dieser Polizisten ausgab, konnte sie auch aufs Strafregister zugreifen. Allerdings musste sie immer noch extrem vorsichtig zu Werke gehen, damit diese Zugriffe nicht auffielen. Die Sicherheitsabteilung der Polizei verfügte zum Beispiel über einen automatischen Alarm, wenn sich ein Beamter außerhalb der Arbeitszeit einloggte oder wenn die Anzahl der Zugriffe allzu stark anstieg. Auch wenn sie nach Informationen über Ermittlungen suchte, mit denen die örtliche Polizei gar nicht befasst war, würde ein solcher Alarm ausgelöst werden.
Im folgenden Jahr arbeitete sie mit ihrem Hackerkollegen Plague daran, die Kontrolle über
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