Verdammnis
spät am Dienstagabend, als das Zitat in einer Nachrichtensendung im Fernsehen erwähnt wurde, entdeckte sie, dass er geradezu irreführende Angaben gemacht hatte. Er behauptete, Dag Svensson habe eine Reportage über »Datensicherheit und Datenklau« geschrieben.
Lisbeth Salander runzelte die Stirn. Sie wusste, dass diese Behauptung falsch war, und fragte sich, was Millennium hier eigentlich für ein Spiel spielte. Dann aber verstand sie die Message und setzte zum zweiten Mal an diesem Tag ihr schiefes Lächeln auf. Sie loggte sich auf dem Server in Holland ein und doppelklickte auf das Icon namens MikBlom/laptop . Sie fand den Ordner »LISBETH SALANDER« und das Dokument »An Sally« mitten auf dem Desktop. Sie klickte es an und las.
Danach saß sie lange still vor Mikaels Brief. Sie rang mit widersprüchlichen Gefühlen. Bis jetzt hatte es »Lisbeth gegen den Rest von Schweden« geheißen, was in ihrer Schlichtheit eine sehr saubere und übersichtliche Gleichung ergab. Aber jetzt hatte sie auf einmal einen Verbündeten, zumindest einen potenziellen Verbündeten, der behauptete, an ihre Unschuld zu glauben. Und das war natürlich der einzige Mann in Schweden, den sie unter gar keinen Umständen treffen wollte. Sie seufzte. Mikael Blomkvist war immer noch so ein verdammt gutmütiger Einfaltspinsel. Lisbeth Salander war seit ihrem zehnten Lebensjahr nicht mehr so unschuldig.
Es gibt keine Unschuldigen. Es gibt nur verschiedene Abstufungen von Verantwortung.
Nils Bjurman war tot, weil er sich entschieden hatte, nicht mehr nach den Regeln zu spielen, die sie vorgegeben hatte. Er hätte jede Chance gehabt, aber dann heuerte er doch so ein verdammtes Alphamännchen an, um ihr etwas anzutun. Das hatte wahrhaftig nicht sie zu verantworten.
Aber wenn Kalle Blomkvist sich erst einmal einmischte, dann durfte man ihn auch nicht unterschätzen. Er könnte ihr sogar von Nutzen sein.
Er konnte gut Rätsel lösen und besaß eine Sturheit, die ihresgleichen suchte. Das hatte Lisbeth in Hedestad gelernt. Sobald er sich erst einmal in etwas verbissen hatte, machte er weiter bis zum bitteren Ende. Er war wirklich naiv. Aber er konnte sich frei bewegen, wo man sie nicht mehr sehen durfte. Er könnte ihr sogar behilflich sein, in aller Ruhe das Land zu verlassen. Sie schätzte, dass ihr demnächst gar nichts anderes mehr übrig bleiben würde.
Leider konnte man Mikael Blomkvist nichts befehlen. Er musste es selbst wollen. Und er brauchte einen moralischen Vorwand, bevor er handelte.
Mit anderen Worten, er war ziemlich vorhersagbar. Sie überlegte eine Weile und legte dann ein neues Dokument an, das sie »An MikBlom« nannte. Sie schrieb nur ein einziges Wort hinein.
Zala.
Das dürfte ihm erst mal Stoff zum Nachdenken geben.
Sie saß immer noch vor dem Bildschirm und grübelte, als Mikael Blomkvist plötzlichen seinen Computer startete. Seine Antwort kam, kurz nachdem er ihre Datei gelesen hatte.
Lisbeth,
Du verdammt anstrengender Mensch. Wer zum Teufel ist Zala? Ist er die Verbindung? Weißt Du, wer Dag & Mia ermordet hat? Wenn ja, sag es mir, damit wir diesem Elend ein Ende machen können.
Mikael
Okay. Zeit, ihn zu ködern.
Sie legte ein neues Dokument namens »Kalle Blomkvist« an. Sie wusste, dass er sich darüber ärgern würde. Dann schrieb sie die kurze Mitteilung.
Du bist der Journalist. Finde es raus.
Wie erwartet, antwortete er auch darauf sofort und appellierte an sie, sie solle zur Vernunft kommen. Er versuchte, sie über die Gefühlsmasche zu kriegen. Sie lächelte und verließ seine Festplatte.
Wo sie schon einmal am Schnüffeln war, machte sie gleich weiter und ging als Nächstes auf Dragan Armanskijs Festplatte. Nachdenklich las sie den Bericht durch, den er am Ostermontag über sie geschrieben hatte. Es war nicht zu erkennen, für wen er diesen Bericht erstellt hatte, aber die einzige einleuchtende Erklärung war die, dass Armanskij mit der Polizei zusammenarbeitete, damit sie gefasst werden konnte.
Sie brauchte eine Stunde, bis sie Armanskijs E-Mails durchgearbeitet hatte, fand aber nichts Interessantes. Gerade als sie die Festplatte wieder verlassen wollte, stolperte sie über seine Mail an den technischen Chef von Milton Security. Armanskij gab Anweisung, eine versteckte Überwachungskamera in seinem Arbeitszimmer zu installieren.
Hoppla.
Sie warf einen Blick auf das Datum und stellte fest, dass die Mail ein paar Stunden nach ihrem letzten Freundschaftsbesuch Ende Januar
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