Verdammt (German Edition)
tölpelhaft vor und schimpfte sich selbst insgeheim
dafür, dass sie, ohne nachzudenken, losgeplappert hatte.
»Es tut mir leid … Ich hätte nicht …«
»Du erinnerst dich daran?«, fragte er in ebenso erstauntem Tonfall wie zuvor.
»Ja … natürlich. Ich meine, na ja, ich kannte jetzt niemanden von ihnen persönlich, aber diese ganzen Leute … Die meisten waren Lazars, aber es war auch dieser Adelige Szelsky dabei und Prinz Dragomirs Frau. Wie hieß sie doch gleich?«
»Alma«, antwortete er leise und betrachtete das Mädchen weiterhin verwundert.
Rhea zögerte, unschlüssig, wie viel sie darüber sagen sollte. Sie war sich jetzt sicher, dass er eines der Opfer gekannt hatte. »Also, jedenfalls war es schrecklich. Mehr als schrecklich. Ich kann mir gar nicht ausmalen, wie es ihren Angehörigen gehen muss …«
»Es ist sechs Monate her«, unterbrach er sie barsch.
Rhea runzelte die Stirn und versuchte, aus seinen Worten schlau zu werden. Er blockte das Thema nicht ab und schien auch nicht andeuten zu wollen, dass sechs Monate eine lange Zeit seien – was ihrer Meinung nach ohnehin nicht zutraf. Es klang eher so, als wollte er sie auf die Probe stellen, was ihr etwas befremdlich vorkam.
»Ich finde nicht, dass sechs Monate lang genug sind, um über den Verlust von jemandem hinwegzukommen, den man geliebt hat«, erwiderte sie schließlich. »Ich könnte das jedenfalls nicht. War – hast du jemanden dort gekannt?«
Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch eine jähe Welle erschütterte das Boot. Es schlingerte, was ein
paar aus der Menge hinter ihnen zu einem Aufschrei veranlasste. Rhea schnappte nach Luft, umfasste die Reling fester – was sie eigentlich gar nicht für möglich gehalten hatte – und verlor ein bisschen den Halt unter den Füßen. Ihr Gefährte erwischte sie gerade noch und stützte sie, bis sich das Boot wieder aufrichtete und seinen ruhigen Kurs fortsetzte.
Tief durchatmen, tief durchatmen, ermahnte sie sich selbst. Machte man das nicht, um sich zu beruhigen? Tief durchatmen konnte sie doch. Jetzt war sie allerdings kurz davor, zu hyperventilieren, und ihr Herz fühlte sich an, als wollte es aus dem Brustkorb springen.
»Ganz ruhig«, sagte er mit leiser, beruhigender Stimme. »Alles in Ordnung. Es war nur eine hohe Welle.«
Rhea konnte nicht antworten. Ihr Körper war nach wie vor völlig verkrampft.
»Hey«, setzte er erneut an. »Es ist alles okay. Schau doch – wir sind schon fast da, siehst du?«
Mühsam drehte sich Rhea in die Richtung, in die er nickte. Und tatsächlich, sie waren der Insel schon viel näher gekommen. Zahlreiche Lichter säumten den Kai, und mehrere Gestalten am Ufer schienen nur darauf zu warten, sie an Land zu lotsen.
Ausatmend lockerte sie ihren Griff – ein ganz klein wenig – und verlagerte das Gewicht. Er hielt sie immer noch fest, offenbar unsicher, ob ihr wirklich nichts fehlte.
»Danke«, stieß sie hervor. »Ich … es geht schon wieder.«
Er wartete noch eine Weile ab, ehe er sie schließlich losließ. Als er die Hand von dort wegnahm, wo sie sich auf ihre gepresst hatte, registrierte er erstaunt ihren Ring.
Dessen großer, in Navetteform geschliffener Diamant glitzerte wie ein Stern an ihrem Finger. Schockiert starrte er ihn an, als trüge sie eine Kobra um die Hand geschlungen.
»Bist du … bist du verlobt?«
»Mit Stephen Badica.«
»Ernsthaft?«
Sein Tonfall, der seinen völligen Unglauben verriet, ließ schlagartig heftigen Zorn in ihr aufflammen. Natürlich wunderte er sich darüber. Warum auch nicht? Alle anderen taten es ja auch. Alle fragten sich, wie es sein konnte, dass Rhea Daniels – die nur von halb königlichem Geblüt war – das Interesse von jemandem erregt hatte, der aus einem so angesehenen Zweig seines Hauses stammte. Die Ehe ihrer Eltern war schon Skandal genug gewesen. Alle hatten gemeint, dass ihre Mutter unter ihrer Würde geheiratet habe, und Rhea wusste, dass dieser Stachel ihre Mutter veranlasst hatte, Rheas Verlobung mit Stephen zu begünstigen.
Dennoch waren Rhea die Unterstellungen zuwider. Sie hatte das Getuschel gehört; sie kannte Leute, die sich fragten, ob ihre Eltern womöglich irgendeine Vereinbarung mit Stephens Eltern getroffen hatten und eine Bestechungssumme geflossen war. Andere meinten, dass Stephens Interesse daher rührte, dass sie leicht zu haben war – und die Verlobung nur so lange halten würde, bis er sie satthatte. Ihr war klar, dass sie ein merkwürdiges
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