Verdammt wo ist der Braeutigam
haben, um sich wenigstens wieder abzuschminken. Sie wird sowieso zu spät zur Trauung kommen.
Bei der Hochzeit meiner Freundin Simone durfte ich mit meiner Tochter, die damals sieben Jahre alt war, bei der stundenlangen Vorbereitung einmal vorbeischauen. Als wir ins Zimmer kamen, saß Simone im Brautkleid vorm Spiegel. Die Haare standen in alle Richtungen vom Kopf ab, und der Visagist war sichtlich bemüht, sie mit Klammern zu bändigen. »Du siehst ja schrecklich aus!«, rief meine Tochter.
»Nein, also so arbeite ich nicht«, sagte der Visagist und verschränkte die Arme vor der Brust.
Er schien bereit, Simone in dieser misslichen Lage allein zu lassen. Wir verließen eiligst das Zimmer.
Denn wie fremd und gewöhnungsbedürftig auch immer die Braut aussehen sollte, für die Gäste gilt: Kinder zum Schweigen bringen, Make-up-Schichten ignorieren und sich an die goldenen Regeln halten. Gemeinsam bekommen sie es vielleicht hin, dass die Braut, selbst wider besseres Wissen, später sagt: »So schön wie an diesem Tag war ich nie mehr in meinem Leben.«
Fragt man dagegen verheiratete Männer, ob sie ein schöner Bräutigam waren, passiert Seltsames. Sie verstehen auf einmal die deutsche Grammatik nicht mehr. Sie antworten dann: »Meine Frau war eine wunderschöne Braut.«
Das Foto
DER SCHÖNSTE TAG IM LEBEN – FÜR IMMER KONSERVIERT
Vor einigen Jahren wohnte ich in München in der Nähe einer idealen Kulisse für Hochzeitsfotos: dem Nymphenburger Schloss und seinem Park. Ich war fast täglich dort, die Brautpaare waren es auch. In ihrem Schlepptau hatten sie stets einen Fotografen.
Das Hochzeitsfoto ist wichtig, es hält die Liebe fest. Die meisten Paare scheuen dafür weder Zeit, Kosten noch Aufwand. Bei meinen Spaziergängen durch den Park konnte ich feststellen, dass Brautpaare sehr geduldige Modelle sind und es immer wiederkehrende Inszenierungen gibt.
Selbst unter Paaren unterschiedlicher Nationalität herrscht ganz offensichtlich ein Konsens darüber, wie das ideale Foto aussehen muss. Regel Nummer 1 lautet: Das Foto wird nicht spontan, sondern von langer Hand geplant geschossen. Regel Nummer 2: Der Hintergrund ist zeitlos. Das Paar wird entweder im Grünen platziert (Alleen, Hofgärten, Parks) oder auf Sand gesetzt (Strand, Meer). Dieser Hang zur Natur steht in seltsamem Widerspruch zur perfekt organisierten Feier. Es muss sich um eine Art Ursehnsucht handeln, zu zweit allein im Freien zu sein, ohne alles andere und alle anderen.
Regel Nummer 3: Das Paar wird sorgfältig inszeniert. Entweder werden die frisch Vermählten dabei fotografiert, wie sie Hand in Hand gehen (von vorne oder hinten) oder, etwas dynamischer, rennen (wohin? Ins Glück, wahrscheinlich) oder zärtlich einander zugeneigt sind. Zu den häufig gewählten Posen gehört die Kippstellung. Der Bräutigam umfasst die Braut an der Taille und küsst sie derart herzhaft, dass sie nach hinten kippt. Sie liegt dann quasi in der Senkrechten.
Manchmal wird Wert auf ein Gruppenfoto gelegt. Dafür müssen dann auch die Gäste herhalten. Meine Freundin Laura erzählte mir von einem Fest, bei dem sich der Fotograf abmühte, die gesamte, etwa fünfzigköpfige Hochzeitsgesellschaft zu dirigieren: »Der Mann vorne rechts, bitte die Ellbogen rein, der Trauzeuge bitte etwas mit der Schulter nach vorne«. Er ließ sich weder vom zunehmenden Murren noch von den gegenseitigen Schuldzuweisungen seiner unfreiwilligen Modelle (»Trudl, konzentriere dich bitte und sieh nach vorne. Der Fotograf wird ja gar nicht fertig«) aus der Ruhe bringen. Der Mann war ein Perfektionist und die Gäste sein Material. Nach einer halben Stunde machte der Brautvater der Knipserei ein Ende: »Ich glaube, es ist genug«, sagte er resolut und lief durchs Bild davon. Laura weiß bis heute nicht, ob das Foto gelungen ist – es wurde nie verschickt.
Man sollte die Macht des Fotografen nicht unterschätzen. Es sind seine Inszenierungen, die das Foto im Zweifelsfall angreifbar machen. Niemand wüsste das besser als Prominente. Ihre Hochzeitsfotos gehen um die Welt, und Experten der Körpersprache freuen sich darüber, sie analysieren zu können. Zum Beispiel das Foto von Tom Cruise und Katie Holmes, das beide in einer goldgelb ausgeleuchteten Grotte zeigt. Tom hält Katies Hand an seiner Brust, ihre Köpfe berühren sich an den Schläfen. Sieht nett aus für einen Laien, mit etwas Fantasie fangen die zwei gleich zu tanzen an. Eine Expertin für Menschenkenntnis urteilte dagegen: Tom
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