Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
Berlin, das wär schön. Wenn Vater nichts dagegen hat.«
Nein, einen Krieg zwischen England und Deutschland kann sie sich auch nicht vorstellen. Zwar stehen die Österreicher bereits Gewehr bei Fuß, um in Serbien einzumarschieren und sich für die Ermordung ihres Thronfolgers zu rächen. Aber solange die anderen Mächte einen kühlen Kopf bewahren, besteht wohl keine Gefahr. Das jedenfalls ist Vaters Meinung, und sie hat keinen Grund, daran zu zweifeln.
» Sollen die Österreicher und die Serben das unter sich ausmachen«, hat Vater gestern gesagt, » Europa wird nicht so dumm sein, sich deswegen in einen großen Krieg jeder gegen jeden verwickeln zu lassen.«
» Es wird gut sein«, meint Adrian, » wenn wir uns jetzt gleich verabreden. Es könnte ja sein, daß eure Wohnung immer noch heimlich beobachtet wird, deswegen komme ich lieber nicht mehr in die Nähe.«
» Ja, ich traue dem Frieden auch nicht so ganz. Obwohl, gesehen habe ich schon lange keine Geheimen mehr, die bei uns herumlungern. Allright, wo sollen wir uns treffen?«
» Vor der Liverpool Street Station, in genau einer Woche, am 3. August, das ist ein Montag. Der Zug geht um sieben Uhr morgens. Nimm nicht zuviel Gepäck mit, es wird wahrscheinlich alles durchsucht. Und sei rechtzeitig da, versprochen?«
» Versprochen. Ich freu mich!«
» Nein, ich freu mich.«
Sie grinsen sich an, er nimmt ihre beiden Hände, drückt sie ganz fest, dann macht er kehrt und verschwindet im Gewühl vor der Blumenhalle. Sie schaut lange dorthin, wo ihn die Menge verschluckt hat. Wie Vater wohl reagieren wird?
Portsmouth, Dolphin Hotel, 29. Juli 1914, Mittwoch
Seiler hat dasselbe Zimmer im Dolphin bekommen, in dem er schon vor ziemlich genau drei Jahren einmal war. Es hat sich nicht verändert, ist höchstens ein wenig grauer und schäbiger geworden. Nach dem Frühstück geht er hinaus und wartet auf die Straßenbahn zum Hard. Am Fähranleger steigt er aus. Hier stehen zwei Zeitungsverkäufer, wie sie verschiedener nicht sein könnten. Ein eleganter Stutzer mit steifem Kragen und Krawatte, eine flotte Sportmütze auf,preist den Hampshire Telegraph & Post and Naval Chronicle an und macht mit lauten Rufen auf seine Schlagzeilen aufmerksam: » Österreich-Ungarn erklärt Serbien den Krieg! Unsere Flotte in Alarmbereitschaft!«
Der andere ist ein alter weißbärtiger Mann in abgerissener Kleidung, einen speckigen Bowler auf dem Kopf. Er bleibt stumm und pafft seine Pfeife. Ein großes Schild vor seinem Bauch wirbt für den Londoner Globe mit der fetten Schlagzeile To Hell With Serbia!
Eine Gruppe von Navy-Matrosen wartet hier auf die Fähre. Alle haben einen Seesack dabei, also wollen sie an Bord eines der kleineren Kriegsschiffe hier im Hafen. Seiler stellt sich neben sie ans Geländer und lauscht ihrer Unterhaltung. Sie reden ganz unbekümmert darüber, daß die Home Fleet in der vergangenen Nacht aus Portland ausgelaufen ist, an die vierzig Schlachtschiffe. Sie sollen in der kommenden Nacht, im Schutz der Dunkelheit, durch die Straße von Dover laufen und dann hinauf nach Rosyth und Scapa Flow gehen. Seiler fühlt einen leichten Schauer im Nacken. Rosyth und Scapa Flow sind die War Stations der britischen Flotte für einen Krieg mit Deutschland. Die Royal Navy macht sich bereit.
Damit weiß er eigentlich schon genug. Kein Grund, hier noch mehr Zeit zu verschwenden. Am besten fährt er gleich hinauf nach Edinburgh.
Dalmeny Rail Station, 31. Juli 1914, Freitag
Seiler steigt als einziger in Dalmeny aus dem Local von Edinburgh. Die kleine Bahnstation liegt auf der Auffahrtrampe zur Firth-of-Forth-Brücke, deren südlicher Brückenkopf nur eineinhalb Kilometer entfernt ist. Es ist sieben Uhr morgens und schon warm, aber der Himmel ist düster und verhangen. Jenseits des Firth blitzt es aus tiefhängenden bleiernen Wolken, Donner grollt und rumpelt. Wind rauscht in den Bäumen, bestimmt wird es bald regnen. Seiler knöpft seine Jacke zu, drückt sich die Mütze fester auf den Kopf und rückt den Riemen der Umhängetasche zurecht. Er wünscht dem einsamen Bahnhofsvorsteher guten Morgen und macht sich auf zur langen Treppe, die zur Uferstraße hinunterführt. Etwa in der Mitte, außer Sicht der Station, verläßt er sie und steigt durch den Laubwald wieder zu den Gleisen hinauf. Sollte ihn jemand ausfragen, ist er Ingenieur, der die Brückenkonstruktion begutachten soll.
Er und Steinhauer haben sich eine Legende ausgedacht, um für alle Fälle ihren Aufenthalt auf
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