Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
Mr. Regan hier gelang es dann im Juni 1912, sich als angeblicher Seemann mit Gould anzufreunden. Anfang Februar dieses Jahres erfuhr er, daß Frau Gould nach Ostende fahren wolle, um Steinhauer ein Artilleriehandbuch der Navy zu übergeben, dazu Karten vom Spithead sowie Planzeichnungen von einigen unserer neuesten Kreuzer. Das mußte natürlich verhindert werden, und der Direktor der Naval Intelligence ordnete die Verhaftung von Mrs. Gould an. Sie wurde am 22. Februar im Charing Cross Terminal festgenommen, als sie in den Zug nach Dover einsteigen wollte. Die geheimen Dokumente wurden in ihrem Gepäck gefunden. Gould selbst wurde am selben Tag in seiner Wohnung verhaftet. Bei der anschließenden Hausdurchsuchung wurden reichlich Beweise für ihre Spionagetätigkeit entdeckt.«
Holt-Wilson schmunzelt. » Unter anderem eine Photographie von Steinhauer in Polizeiuniform, unterschrieben mit In freundlicher Erinnerung von G. Steinhauer, London, Februar 1913. Damit konnten wir vor drei Monaten einen Haftbefehl im Rahmen des Official Secrets Act wegen Anstiftung zur Spionage gegen Steinhauer, alias Fritz Reimers, erwirken.«
» Richtig«, übernimmt Kell wieder, » die Verhandlung gegen die Goulds vor dem Central Criminal Court war am 4. April. Frau Gould ist aus Mangel an Beweisen und mit Rücksicht auf ihre Kinder freigesprochen worden, Frederick Gould wurde zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, mit der Empfehlung der anschließenden Ausweisung. Das war’s, Gentlemen. Ein schöner Erfolg, wie ich meinen möchte.«
Beifälliges Gemurmel und Stühlerücken, während sie sich erheben. Kell räuspert sich: » Nebenbei, hat einer von Ihnen etwas von Mr. Melville gehört? Ich hatte ihn eigentlich heute erwartet.«
Allgemeines Kopfschütteln. » Nein, Sir.«
Drummond verläßt mit weichen Knien das Büro des Captains und fragt sich, ob Melville in Deutschland im Gefängnis sitzt. Seit dessen Festnahme in Kiel hat auch er nichts mehr von ihm gehört. Eher unwahrscheinlich, sagt er sich, vermutlich wird der Fall geprüft, und dann wird man ihn ausweisen. In ein paar Tagen spätestens wird er hier auftauchen und mich der Komplizenschaft mit Seiler und den Deutschen überhaupt bezichtigen. Was dann? Ich könnte behaupten, Peterman auf eigene Faust bis nach Kiel gefolgt zu sein, um seine Kontakte dort festzustellen. Als Melville dann aufgetaucht ist und von Peterman und Seiler enttarnt wurde, habe ich mich verpflichtet gefühlt, zu seinem Schutz einzugreifen. Eigentlich keine schlechte Geschichte. Das einzige, was man mir vorwerfen könnte, ist, daß ich, um nach Deutschland zu fahren, eine Krankheit vorgetäuscht habe. Das allerdings dürfte mir einen scharfen Verweis eintragen, oder sogar die Entlassung. Melvilles Beschuldigungen wird er jedenfalls entschieden zurückweisen müssen.
Er schüttelt zum wiederholten Mal den Kopf. Was ist nur in den Mann gefahren? So eine Idiotie, auf einmal einen Revolver zu ziehen und in die Luft zu schießen. In Deutschland! Melville ist einfach cholerisch veranlagt und wird dann völlig unberechenbar. Zudem war er wohl wieder angetrunken, er hatte es an seinem Atem riechen können. Das könnte ihm, Drummond, wiederum helfen. Es dürfte kaum in Melvilles Interesse liegen, wenn diese dumme Geschichte hier bekannt würde. Je länger er darüber nachdenkt, desto mehr ist er überzeugt, daß Melville den Mund halten wird. Aber er wird von jetzt an sein erbitterter Feind sein.
Dover, Ferry terminal, 26. Juli 1914, Sonntag
Seiler kommt in Dover zusammen mit Steinhauer an. Die Einreisekontrolle ist streng, ihre Koffer werden geöffnet und durchgesehen. Sie passieren jedoch unangefochten als britische Geschäftsleute, die aus Brüssel zurückkehren. Ihr Auftrag: nach Kriegsvorbereitungen in den Häfen Ausschau halten. Der Zustand drohender Kriegsgefahr ist erklärt worden, aber vorläufig noch nicht öffentlich, und sie haben einen dringenden Fragebogen der Admiralität erhalten und auswendig gelernt. Sie trennen sich am Morgen nach der Ankunft in London, Steinhauer will sich die nördlichen Marinestützpunkte vorknöpfen, Aberdeen und den Moray Firth und danach ganz hinauf zu den Orkneys. Dort soll Scapa Flow als nördlichster Flottenstützpunkt ausgebaut werden. In London will er Angelausrüstung kaufen, um sich als holländischer Sportangler zu tarnen. Seiler soll morgen als englischer Journalist mit entsprechenden Papieren nach Portsmouth und danach gleich weiter nach Edinburgh. Dort soll er
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