Verfolgt
werden sollen. |316| Ich weiß ja nicht, ob das was bringt. Sie kennen doch nichts anderes mehr, als ihren geliebten Kos zu beschützen.
Wir ziehen um. Am Freitag verlassen wir die Houndswood-Siedlung. Die meisten Kartons sind schon gepackt, das Geschirr ist in Zeitungspapier eingewickelt. Wir müssen nur noch die Vorhänge abnehmen und das Haus einmal gründlich durchputzen. Wo Owen jetzt doch wegen Mordverdacht in U-Haft sitzt, wollen meine Mutter und ich woanders noch mal von vorn anfangen. Erst recht, weil etliche Dorfbewohner noch von der Polizei vernommen werden sollen, vor allem die ehemaligen Angestellten des Beacon-Gefängnisses. In einem Dorf zwischen Bewlea und Bexton hat meine Mutter eine Zweizimmerwohnung gemietet. Auf die Weise kann sie weiter hier im Hotel arbeiten und ich kann endlich aufs College gehen. Aber das Beste daran ist, dass meine Mutter in einer Zweizimmerwohnung nicht auch noch Devlin bei sich aufnehmen kann. Bis sie einen Käufer für das Haus gefunden hat, vermietet sie es. Sie sagt, wenn das Haus verkauft ist, spendiert sie uns beiden einen Kurzurlaub in New York. Wir hätten uns eine kleine Auszeit wahrhaftig verdient.
»Ein Glück, dass ich die Hochzeitsreise noch stornieren konnte!«, meinte sie. Dass sie Owen nun doch nicht heiratet, macht sie eigentlich nicht besonders traurig. Es »hat nicht sein sollen«, meint sie. Und dass sie sowieso schon ihre Bedenken hatte.
|317| »Ich hatte gehofft, dass sich unsere Beziehung nach der Hochzeit bessert. Das war natürlich Unsinn, das habe ich jetzt auch kapiert.«
Meine Mutter bezahlt mir auch ein paar Fahrstunden, weil ich nächste Woche siebzehn werde. Hoffentlich fällt der Fahrlehrer nicht vom Sitz, wenn er merkt, dass ich längst fahren kann.
Heute ist ein wichtiger Tag, weil Kos und seine Familie wieder in ihre Heimat fliegen. Mutter und ich gehen zu Emily rüber, um die drei zu verabschieden. Wir umarmen uns alle und ich zerdrücke tatsächlich ein paar Tränchen. Auch wenn ich NICHT in Kos verliebt bin. Jetzt, wo er regelmäßig zu essen kriegt, ist er in erstaunlich kurzer Zeit ganz schön pummelig geworden und er springt herum wie ein Kleinkind. Mutter meint, geistig ist er wahrscheinlich auf dem Stand eines Zwölfjährigen. »Entwicklungsverzögerung« nennt man so was. Wie auch immer, Kos und ich umarmen uns jedenfalls noch mal, dann holt er eine zerdrückte Rose aus der Tasche, lächelt mich an und überreicht mir die Blume.
Hoffentlich geht es ihm dort, wo er jetzt hinfliegt, einigermaßen gut.
Kos, seine Oma, Jak und Kos’ Sozialarbeiterin steigen ins Taxi zum Flughafen und ich sage zu Mutter: »Hey, vielleicht sind Dad und Owen ja Zellengenossen. Dein Männergeschmack lässt wirklich zu wünschen übrig.«
»Deiner aber auch«, kontert Mutter, denn Kos leckt von innen am Autofenster.
|318| Da hat sie auch wieder recht. Kos ist sogar mir zu verrückt. Emily, Mutter und ich stehen winkend am Straßenrand und das Taxi fährt los. Kos winkt durchs Rückfenster. Ich werfe ihm eine Kusshand zu.
»Tschüss, Kos.«
Bestimmt geht es ihm dort gut. Er ist unter Menschen, die ihn gernhaben. Das ist natürlich nicht alles, aber immerhin ein guter Ausgangspunkt. Ich habe Tränen in den Augen. Mutter sieht es und legt mir den Arm um die Schulter.
»Er wird dir fehlen, was?«, sagt sie.
Aber ich weine nicht seinetwegen. Ich muss an die Frau denken, die vor zwei Jahren im Wald gestorben ist.
Ich denke an Sazanna.
Informationen zum Buch
Als die sechzehnjährige Lexi in dem öden Kaff Bewlea bei ihrer Mutter ankommt, ist sie davon überzeugt, dass sie vor Langeweile sterben muss. Doch dann taucht im Wald plötzlich ein verwilderter Riesenhund mit Schaum vor dem Maul auf, das reinste Ungeheuer! Und er greift sie an. Auf ihrer verzweifelten Flucht stößt Lexi auf ein halb verfallenes Gebäude. Kaum betritt sie das Haus, bricht sie durch den morschen Fußboden und landet im Stockdunklen in eiskaltem Wasser. Sie strampelt, kämpft gegen das Ertrinken. Und dann endlich wird sie von jemandem entdeckt – jemandem, der selbst auf keinen Fall entdeckt werden will…
Informationen zur Autorin
Ally Kennen
wuchs auf einer Farm im Exmoor in England auf. In ihrer Kindheit nahmen ihre Eltern immer wieder Pflegekinder bei sich auf. Bevor Ally Kennen mit dem Schreiben begann, hatte sie die verschiedensten Jobs, lebte in Neuseeland, Amerika und Frankreich und war als Sängerin erfolgreich. Heute lebt sie mit ihrem Mann und zwei
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