Verführe niemals Deinen Mann
ins Schlafzimmer seiner Arbeitgeberin geschlichen hatte, um heimlich ihre Kleider anzuprobieren. Ein verflixt schlechtes Gefühl. Und das war alles ihre eigene Schuld.
Sie hatte doch genau gewusst, worauf sie sich einließ! „Julie, du bist so dumm“, murmelte sie.
„Mach endlich die Tür auf, Julie …“
„Der Bräutigam darf die Braut vor der Hochzeit nicht sehen“, sagte sie. „Das bringt Unglück.“
„Ach, in unserem Fall macht das nichts. Komm schon.“
In unserem Fall.
Ein besonderer Fall war es allerdings. Bei dieser Angelegenheit hier handelte es sich weiß Gott nicht um eine normale alltägliche Hochzeit.
Vor einem Monat schien alles noch so einfach zu sein. Ihre Gedanken wanderten zurück zu jenem schicksalhaften Tag.
„Ich brauche eine Frau“, hatte Travis gesagt. „Und du brauchst eine Zukunft. Es passt alles wunderbar zusammen.“
Julie sah ihn wortlos an. Sie saß ihm in Terry’s Diner gegenüber, im Ortszentrum von Birkfield in Kalifornien. In so einer Kleinstadt trafen sich alle immer im Diner, einer Art Schnellimbiss, in dem man aber halbwegs gemütlich sitzen konnte. Julie war auf diesen roten Plastiksitzen praktisch groß geworden.
Der erste Junge, mit dem sie sich verabredete, hatte sie hierher „ausgeführt“. Ihren ersten Liebeskummer hatte sie hier in einem Schokoladen-Milchshake nach dem anderen ertränkt. Und jetzt bekam sie hier einen Heiratsantrag. Eigentlich hätte man sie auf einer Gedenktafel im Restaurant verewigen müssen.
„So wunderbar passt das nun wirklich nicht zusammen“, kommentierte sie. Wenigstens einer von ihnen musste in dieser Situation einen kühlen Kopf bewahren – und das war sie. Travis war schon immer weniger besonnen gewesen als sie. Na gut, von dem einen Mal abgesehen. Als sie völlig überstürzt einen Mann geheiratet hatte, von dem sie glaubte, dass er sie liebte – und zu spät herausfand, dass dem nicht so war. Das hatte ihr ihre Unbesonnenheit eingebracht!
Mit fester Stimme sagte sie: „Es gibt eine viel bessere Lösung, Travis. Such dir einfach einen anderen Vertriebshändler für deine Weine.“
Er schüttelte so energisch den Kopf, dass ihm sein dunkelbraunes Haar in die Stirn fiel. Am liebsten hätte sie sich über den Tisch gelehnt und es ihm aus dem Gesicht gestrichen, aber sie widerstand dem Impuls.
„Das kann ich nicht. Thomas Henry ist nun mal der Beste in der Branche. Und du weißt, dass ich mich niemals mit dem Zweitbesten zufriedengebe.“
Stimmt, das hatte er noch nie. Travis war der Spross einer der reichsten und mächtigsten Familien in ganz Kalifornien. Er war es von Kindesbeinen an gewohnt, ganz oben zu sein, die Nummer eins. Und nichts lag ihm mehr am Herzen als das King-Weingut. Als sein Vater starb, hatte er es übernommen und alles darangesetzt, die King-Weine in ganz Kalifornien bekannt zu machen.
Und jetzt wollte er mehr, viel mehr. Die Weine sollten künftig nicht nur in den gesamten USA vertrieben werden, sondern nach und nach auch in anderen Ländern. Ganz offensichtlich war Thomas Henry für Travis der Schlüssel zur Wein-Weltherrschaft.
„Schön, schön. Aber du musst doch nicht mich heiraten, um mit ihm ins Geschäft zu kommen.“
„Nein.“ Er lehnte sich mit einem angewiderten Gesichtsausdruck zurück. „Das muss ich nicht. Ich könnte stattdessen auch eine von Henrys hässlichen Töchtern heiraten. Ich hab’s dir doch erzählt, Julie, der Typ ist ein totaler Exzentriker. Er ist ein Selfmade-Millionär und hat jetzt nur noch ein großes Ziel im Leben: seine Töchter unter die Haube zu bringen. Und ich bin Single und äußerst wohlhabend. Eine gute Partie für eins seiner Mädels.“
Sie grinste. „Er kann dich nicht zwingen, eine seiner Töchter zu heiraten. Wir leben doch nicht im Mittelalter.“
„So verschroben, wie er ist, würde er es garantiert versuchen“, sagte Travis. „Und wenn ich seine Lieblinge zurückweise, dann kann – und wird – er sich weigern, meine Weine in seinen Vertrieb aufzunehmen. Das kann ich nicht riskieren. Das King-Weingut ist bereit für den nächsten großen Schritt. Wenn Henry unsere Weine vertreibt, ist der Rest nur noch ein Kinderspiel. Aber damit das passiert, brauche ich eine Alibi-Ehefrau. Denn wenn ich schon verheiratet bin, kann er mir ja schlecht eines seiner Herzblättchen zur Gemahlin andienen.“
„Und warum gerade ich?“
Er lächelte – und das war ein überaus verführerischer Anblick. Als sie noch ein halbes Kind war, war sie ganz
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