Verfuehren
was zwischen ihnen passierte, blind immer tiefer in etwas zu versinken, das ihn am Ende zerstören konnte. Anya war in seinem Hinterkopf und in seinem Herzen, eine schattenhafte Erinnerung daran, dass Dinge, von denen er dachte, dass sie gut verliefen, auch ganz leicht schief gehen konnten.
„Antoine“, rief Callum und er blieb stehen und schaute über seine Schulter zurück. „Trotzdem danke für alles. Ich weiß es wirklich zu schätzen.“
Antoine nickte und drückte die Türen auf. Sie schwangen hinter ihm zu, schlossen sich mit genügend Kraft, dass das Geräusch durch den schwarz gemauerten, hochwandigen Raum widerhallte. Was, wenn Callum sich wegen der Paarungszyklen irrte? Er runzelte die Stirn. Tausend Jahre alt zu sein war zu jung, um eine Familie zu gründen, besonders mit jemandem, der wahrscheinlich keinen Tag älter war als dreißig.
Es waren nicht nur die circa neunhundert Jahre Altersunterschied, die sein Blut in seinen Adern kalt bleiben ließ.
Blutgier war genetisch.
Er würde sie an alle Kinder weitervererben, die er zeugen könnte.
Das Wunsch, allein zu sein verstärkte sich, aber er ignorierte ihn, wusste, was er wirklich brauchte, um den Sturm in seinem Verstand zu beruhigen und stieg die Treppen zum zweiten Stock empor, wo seine Wohnung lag und die seiner drei Freunde. Er blieb vor der mahagonigetäfelten Tür stehen und ging den schwarzen und goldenen Flur entlang zu Snows Wohnung.
„Herein“, sagte Snow, noch bevor er überhaupt Zeit gehabt hatte, anzuklopfen. Er drehte den Messingknopf und stieß die Tür auf, den Blick auf Snow freigebend, der auf den schwarzen Betttüchern seines Bettes ruhte, nur in Boxershorts und einem schwarzen Morgenrock. „Ich habe mich gefragt, wie lange es dauern würde, bis du kommen und nach mir sehen würdest. Deine Emotionen haben vor einigen Minuten ausgeschlagen. Hat Callum etwas gesagt, was dich durcheinandergebracht hat?“
Antoine würde sich niemals an die unglaubliche Stärke der Sinne seines Bruders gewöhnen. Es erstaunte ihn immer wieder, wenn sein Bruder ihm sagte, wo er überall gewesen war und mit wem er gesprochen hatte, während er dort war.
Er schloss die Tür und ging über den Holzboden zu Snows Bett. Snow legte sein offenes Buch auf seinen Bauch, mit den Seiten nach unten. Antoines Blick wanderte dorthin. Krieg und Frieden. Ein bisschen leichte Lektüre. Der Einband war gebrochen und abgegriffen. Er würde Snow bald eine neue Ausgabe kaufen müssen. Er war sich nicht sicher, wie oft Snow es bereits gelesen hatte oder wie er es ertragen konnte, die gleichen Romane immer und immer wieder zu lesen, wenn es da draußen so viele Neue gab. Snow gefielen aber seine Klassiker. Antoine konnte sich daran erinnern, wie ihm sein Bruder vorgelesen hatte, als er ein Kleinkind war, ihm nordische Geschichten von unglaublichen Göttern und Welten jenseits seiner Vorstellungskraft erzählt hatte und Geschichten von Dingen, die er auf seinen Reisen gesehen hatte. Snow war mehr als nur ein Bruder für ihn. Er war auch wie ein Vater gewesen, der Altersunterschied zwischen ihnen bedeutete, dass Snow bereits vollständig erwachsen gewesen war, bevor Antoine geboren wurde. Snow hatte ihn mit seiner Mutter aufgezogen, ihren Vater sich ganz auf sein Geschäft konzentrieren lassend und auf den Schutz ihrer gesamten Familie.
„Wie geht es deiner Frau?“ Snow schaute ihn erwartungsvoll an.
Antoine war nicht hergekommen, um über sie zu sprechen, konnte sich aber nicht helfen, jetzt wo sein Bruder sie erwähnt hatte.
Er setzte sich auf die Bettkante, seitlich zu Snow und rieb seine Hand über sein Gesicht und dann über sein dunkles Haar, versuchte darüber nachzudenken, wo er anfangen sollte.
„Ihr geht es gut ... aufgeregt wegen der Party heute Nacht.“
„Etwas beunruhigt dich, Bruder.“ Snow setzte sich auf und legte sein Buch auf den ebenholzschwarzen Nachttisch. Antoine bemerkte das Wundgescheuerte auf seinem Handgelenk, als sich der Ärmel seines seidenen Morgenmantels seinen Arm hochschob. Snow lächelte. „Kümmere dich nicht auch noch um mich. Du hast schon genug Sorgen. Du befürchtest, dass sie dir wehtun wird.“
Antoine war niemals in der Lage gewesen, irgendetwas vor seinem Bruder zu verbergen. Nicht seine monumentale Freude darüber, dass er gedacht hatte, eine Frau gefunden zu haben, die seine Gefährtin für die Ewigkeit sein würde und auch nicht seine vernichtende Höllenqual bei der Entdeckung, dass sie spurlos verschwunden
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