Verfuehrerisch doch unerreichbar
darüber nachdachte, ging Ellie langsam und müde aus seinem Büro. Er folgte ihr bis zur Tür und runzelte skeptisch die Stirn, als sie sich mit einer Hand an der Wand abstützte. Sie sah aus, als könnte sie sich vor Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten.
„Ich hasse dich. Du bist ihm so ähnlich”, flüsterte sie, als er näher kam und ihr den Arm um die Taille legte, um sie zu stützen. Ohne die katzenhafte Arroganz, mit der sie ihm normalerweise begegnete, kam sie ihm erschreckend zerbrechlich vor.
Und dann bemerkte er, dass die harte, eigenwillige, verwöhnte Ellie weinte. Es war kein lautes Schluchzen, sondern ein ganz leises Weinen, das verriet, dass ihr die Last, die sie zu tragen hatte, zu groß wurde.
Mikhails Nackenhaare stellten sich auf. Selbst wenn er Ellie nicht mochte, war er doch nicht immun gegen die Tränen einer Frau. Außerdem weinte Ellie Lathrop nie - sie übte Druck aus und drohte und schmollte und taktierte, aber sie weinte nicht.
Zwischen Misstrauen und Mitleid schwankend, führte er sie in den Ausstellungsraum mit Stepanov-Möbeln und schloss die schwere Tür hinter sich. Ellie ließ sich auf ein massives Bett fallen und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Im nächsten Augenblick war sie jedoch wieder auf den Beinen lächelte betont fröhlich. „Ich muss gehen. Wir reden morgen.”
Er traute ihr nicht. War das eine neue Masche? Etwas, was sie sich ausgedacht hatte, um sich mal wieder über ihn lustig zu machen?
Mikhail spürte ihre Anspannung. Den dunklen Ringen unter ihren Augen nach zu urteilen, forderte das, was ihr zu schaffen machte, seinen Tribut. Er legte ihr die Hand auf die Schulter und drängte sie behutsam, sich wieder auf das Bett zu setzen. „Jetzt sag schon, was los ist.”
„Ich will jetzt nicht reden”, entgegnete sie. „Ich habe keine Lust, mich mit dir zu streiten.
Gönn mir eine Pause, ja?”
„Nein. Wir reden jetzt.”
Sie rieb sich das Gesicht, und Mikhail bemerkte das Fehlen ihres dezenten, aber perfekten Make-ups. Außerdem fiel ihm ein fehlender Knopf an ihrer Lederjacke auf, der leicht zerschlissene Kragen ihres Pullovers, die abgewetzten Nähte ihrer Jeans und die verschrammten Schuhe.
Ellie registrierte seinen prüfenden Blick und wandte das Gesicht ab. „Ich bin nicht gerade in bester Verfassung”, gab sie mit zittriger Stimme zu und sank wieder auf das Bett. „Ich bin so schrecklich müde.”
Was hatte sie dazu gebracht, ihren Stolz zu vergessen und sich an ihn zu wenden? Was war mit dem Kind, das sie bei sich hatte? Mikhail verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an die robuste Anrichte aus Walnussholz, an der er mitgearbeitet hatte. „Erzähl es mir.”
„Nein.”
„Doch.” Mikhail nahm das Bitte-nicht-Stören-Schild und hängte es außen an die Tür des Ausstellungsraumes. Obwohl sein Apartment nur den Flur hinunter lag, entspannte er sich manchmal in diesem Zimmer voller Möbel, die seine Familie hergestellt hatte. Gelegentlich benutzte Jarek den Ausstellungsraum auch für einen romantischen Abend mit seiner Frau.
Mikhail verriegelte die Tür. „Ich kann warten.”
„Das glaube ich dir.” Ellie stand wieder auf und lief unruhig durch den Raum. Sie betrachtete bewundernd die Möbel, öffnete hier eine Schublade, strich dort über die Metallverzierungen einer Kommode. „Du amüsierst dich, das kann ich dir ansehen. Es gefällt mir nicht, für dich das Unterhaltungsprogramm des Tages zu sein. Au revoir, Kumpel.” Mit diesen Worten marschierte sie an ihm vorbei zur Tür und griff nach dem Riegel.
„Geh durch diese Tür, und du bekommst keine zweite Chance.” Er beobachtete, wie sie zögerte und die schmale Hand zurückzog. Was konnte nur so wichtig sein, dass Ellie dafür ihren Stolz opferte?
Sie stand mit dem Rücken zu ihm und schüttelte den Kopf. „Du bist meinem guten alten Dad so ähnlich. Kein Wunder, dass Mom ihn so bald wie möglich verlassen hat und mich natürlich auch. Die Mutter meiner Halbschwester hat es genauso gemacht. Offenbar sind mütterliche Instinkte in unserer Familie nicht besonders verbreitet. Du weißt, dass ich todmüde bin, und trotzdem bedrängst du mich. Du spürst die Schwachstellen anderer Menschen auf wie ein Hai, der Blut riecht, und setzt deinen Willen immer durch. Aber ich will jetzt nicht jammern. Schließlich habe ich ja gewusst, dass du es mir nicht leicht machen würdest.”
Sie drehte sich langsam um und lehnte sich gegen die Tür. In dem sanften Licht
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