Verfuehrt
weil ich das immer noch nicht weiß und weil ich die Stille zwischen uns füllen will, die mich nervös macht.
»Sie ist in ihrem Haus draußen am Lago Albano zusammengebrochen. Zum Glück hat ihre Haushälterin sie sofort gefunden und den Notarzt verständigt.« Seine Stimme klingt gepresst, man merkt ihm an, wie schwer es ihm fällt, darüber zu sprechen, und trotz allem fliegt ihm mein Herz zu.
»Es tut mir so leid«, sage ich, und er schließt kurz die Augen und nickt, so als würde er zumindest das von mir annehmen. Aber ansonsten strahlt er immer noch so viel Ablehnung aus, dass ich es nicht mal wage, ihn zu berühren, obwohl ich das gerne tun würde.
Die Straßen sind jetzt, nach zehn, relativ leer, und wir erreichen Monti dank Matteos rasanter Fahrweise sehr schnell, biegen nach gerade mal zehn Minuten durch das Tor auf sein Grundstück.
Die Außenlampen flammen auf, als er den Wagen vor den beiden Garagen abstellt, und beleuchten die schöne, zweistöckige Villa mit den Säulen vor dem Eingang. Ich kenne sie von meinem letzten Besuch noch so gut, dass ich innerlich aufseufze.
Zeit zum Nachdenken bleibt mir jedoch nicht, denn Matteo ist schon ausgestiegen und kommt um den Wagen herum, um mir die Tür zu öffnen. Er ist ein Gentleman, selbst wenn er gerade sehr wütend ist, denke ich und lächle ihn an, was er jedoch nicht erwidert. Stattdessen hebt er meinen Koffer von der Rückbank des Cabrios, wo er ihn verstaut hatte, und geht voran auf das Haus zu.
Ich war schon oben im ersten und im zweiten Stock, wo sich Matteos Wohnung und sein Atelier befinden, aber im Erdgeschoss kenne ich nur die Eingangshalle. Links liegen die Büros der LA SPIRANZA DI PITTURA , Matteos Stiftung zur Förderung junger Künstler, und rechts die Eingangstür zu Valentinas Wohnung, die Matteo mir aufschließt.
Er folgt mir hinein, doch er schweigt immer noch, während ich mich umsehe.
Die Wohnung ist größer, als ich dachte, und weitläufig. Direkt hinter der Tür beginnt eine beeindruckende Zimmerflucht, die aus zwei Salons und einem angrenzenden Esszimmer besteht. Auf der linken Seite sind Türen in der Wand, die in andere Zimmer führen, und ganz hinten scheint sich nach links auch noch ein weiterer Teil der Wohnung anzuschließen.
Die Einrichtung ist ähnlich wie die in Matteos Teil des Hauses, denn auch hier findet sich diese perfekte, sehr stilvolle Mischung aus Antiquitäten und modernen Designmöbeln – da scheinen sich Großmutter und Enkel einig zu sein. Man merkt jedoch trotzdem sofort, dass das hier Valentinas Reich ist, denn es gibt einige feminine Details, die ihre Handschrift tragen.
Matteo geht mit dem Koffer, den er wieder trägt, anstatt ihn zu rollen, zu der ersten Tür, die nach links abzweigt und hinter der, wie sich herausstellt, das Schlafzimmer liegt. Er legt den Koffer auf das breite Himmelbett mit dem hellblauen Baldachin, das darin steht.
»Das Bad ist hier«, sagt er mit knapper Stimme und deutet mit dem Kinn auf die angrenzende Tür, dann streckt er die Hand aus und zeigt an mir vorbei, »und die Küche da vorne.«
Er verlässt das Zimmer wieder, und ich folge ihm in den hintersten Raum der Zimmerflucht, wo ein großer Esstisch steht. Links daneben ist ein Durchgang in der Wand, durch den man in die Küche mit edlen Holzfronten und einer Marmorarbeitsplatte gelangt.
Matteo geht ganz bis zum Ende und bleibt erst vor der Arbeitsplatte stehen. Er ist überhaupt sehr zügig unterwegs, so als müsste er mir die Wohnung möglichst schnell zeigen. Offenbar hat er keine Lust, sich länger mit mir aufzuhalten, denke ich und spüre, wie mein Herz sich zusammenzieht, als ich ihm folge und wenige Schritte von ihm entfernt in der Küche stehen bleibe.
»Ich denke, du findest hier alles, was du brauchst.« Er macht eine vage Geste mit der Hand und kommt dabei näher, will anscheinend an mir vorbei – und wieder gehen. Das glaube ich zumindest. Doch dann treffen sich unsere Blicke, zum ersten Mal seit dem Moment vorhin im Krankenhaus, und ich sehe in die goldenen Tiefen seiner Augen, erkenne, welch ein Sturm darin tobt. Dass er sich auch gegen das Gefühl des Verlangens wehren muss, das ihn längst genauso erfasst hat wie mich.
Es ist der falsche Zeitpunkt, wir sind beide viel zu aufgewühlt, und wir haben über nichts gesprochen, nichts geklärt. Aber ich versinke trotzdem haltlos in seinen Bernstein-Augen, die ich so vermisst habe. Wie von selbst öffnen sich meine Lippen, und als ich die Luft, die ich
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