Verfuehrt
und führt mich in Richtung Ausgang.
»Fahren wir zu ihr?«, erkundige ich mich, als wir einen schnittigen schwarzen Mercedes erreichen und der Fahrer, offenbar Giacomos Chauffeur, meinen Koffer einlädt. »Oder ist es dafür schon zu spät?«
Meine Armbanduhr, die ich schon auf dem Flug auf die italienische Zeit umgestellt habe, zeigt mir an, dass es jetzt kurz nach halb zehn ist, und das kommt mir spät vor für einen Besuch im Krankenhaus.
Giacomo lächelt. »Valentina liegt in einer Privatklinik, da gibt es keine festen Besuchszeiten. Und außerdem werden Sie schon erwartet.« Er hält mir die Tür auf und setzt sich nach hinten zu mir, woraufhin der Wagen sofort losfährt. Offenbar weiß der Fahrer, wohin es geht.
»Ist … Matteo auch da?«, erkundige ich mich bei Giacomo, während draußen die Lichter des Zubringers vorbeihuschen, der uns zurück in die Stadt führt.
Giacomo nickt. »Es geht ihm nicht gut, Sophie. Die Sache nimmt ihn sehr mit.«
»Das kann ich mir denken.« Ich schlucke. »Weiß er, dass ich komme?«
»Er war dabei, als Valentina nach Ihnen gefragt hat.« Giacomo mustert mich nachdenklich, und ich kann seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Entweder weiß er nicht mehr, oder er will mir nicht sagen, was Matteo zu der Aussicht gesagt hat, mich am Krankenbett seiner Großmutter wiederzusehen. Und ich bin zu nervös, um nachzuhaken, denn wenn es Letzteres ist, dann wird er seine Gründe haben, es mir zu verschweigen.
»Warum hat sie das getan?«, frage ich, weil mir die Frage schon die ganze Zeit im Kopf herumgeht.
Giacomo hebt die Brauen. »Was?«
»Warum hat sie nach mir gefragt? Wir kennen uns doch kaum.«
Er zuckt mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich sind Sie ihr ans Herz gewachsen, Sophie – was ich gut verstehen kann.« Er lächelt kurz, doch dann wird er wieder ernst. »Sie war allerdings sehr durcheinander, als sie das gesagt hat. Vielleicht glaubt sie auch … dass Sie noch immer mit Matteo zusammen sind«, fügt er dann noch hinzu.
Erschrocken sehe ich ihn an. »Aber … das stimmt nicht.«
»Es ist auch nur eine Vermutung. Ich weiß es nicht. Als ich zuletzt bei ihr war, hat sie geschlafen, und ich kann ihren Zustand nicht wirklich beurteilen. Das werden wir sehen, wenn wir da sind.«
Betroffen schweige ich und starre aus dem Fenster. Dass Valentina nicht ganz bei sich gewesen sein könnte, als sie nach mir fragte, ist mir überhaupt nicht in den Sinn gekommen – und auch nicht, dass sie mich immer noch für Matteos Freundin halten könnte.
Jetzt, wo ich darüber nachdenke, wird mir plötzlich klar, dass ich mir Matteos Großmutter die ganze Zeit – trotz der schlimmen Nachricht – so vorgestellt habe, wie sie bei unseren Begegnungen war: vital und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Ich habe mich zwar gewundert, warum sie ausgerechnet mich sehen will, aber irgendwie erschien mir der Grund für ihren Wunsch nicht wichtig, ich wollte ihn nur erfüllen. Was, wenn sie sich gar nicht erinnern kann, dass sie überhaupt nach mir gefragt hat, wenn sie mich sieht?
Die Worte meines Vaters fallen mir wieder ein. Ich kenne Valentina kaum, das stimmt, und dennoch bin ich auf dem Weg zu ihrem Krankenbett, dringe in einem sehr privaten Moment ein, in eine Familie, der ich nicht angehöre, selbst wenn ich mir das zwischenzeitlich gewünscht habe. Ich störe dort vielleicht nur, und Matteo …
Giacomo legt seine Hand auf meine und unterbricht meine Gedanken. Überrascht drehe ich mich wieder zu ihm um und blicke in sein freundliches Gesicht.
»Wir sind alle sehr froh, dass Sie gekommen sind, Sophie. Es ist wichtig, dass Sie hier sind, Sie helfen Valentina damit«, sagt er, und ich erwidere sein Lächeln zaghaft, weil mich seine Worte ein bisschen beruhigen.
Doch als wir schließlich in der Klinik ankommen – einem sehr modernen, weißen Gebäude mit unglaublich zuvorkommendem, aber dennoch hoch professionell wirkendem Personal – und im Lift nach oben auf die Intensivstation fahren, bin ich trotzdem furchtbar aufgeregt.
Die Intensivschwester gibt uns grüne Kittel, die wir uns über unsere Kleidung ziehen müssen, und führt uns dann in ein großes Krankenzimmer, in dessen Mitte ein ausladendes Bett mit halbhohen Gittern oben an den Seiten steht.
Am Kopfende ist eine ganze Batterie von Monitoren aufgebaut, auf denen Zahlen und Kurven zu sehen sind und die monotone, aber dennoch irgendwie bedrohliche Pieptöne von sich geben. Kabel führen von ihnen zum
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