Verfuehrt
dann lächelt er wieder dieses kalte Lächeln, mit dem er mir so problemlos wehtun kann. »Deinen toleranten Freund Nigel zum Beispiel.«
Ich runzele die Stirn. »Nigel?«
»Ja, Nigel. Der selbstlose Banker an deiner Seite, der nichts dagegen hat, wenn du dich ein bisschen austobst und Affären mit anderen Männern hast. Weil er weiß, dass du immer wieder zu ihm zurückkehren wirst.« Die letzten Worte spuckt er fast aus und trinkt noch einen Schluck Whisky, verzieht das Gesicht, als ihm der Alkohol durch die Kehle brennt. »Der arrogante Mistkerl hatte Glück, dass ich ihm nicht eine reingeschlagen habe. Das will ich nämlich eigentlich schon tun, seit ich ihn das erste Mal gesehen habe.«
Überrascht sehe ich ihn an. »Nigel hat zu dir gesagt, ich wäre seine Freundin? Wann?«
»Als ich dir die Expertise bringen wollte. Und er hat gesagt, ihr seid so gut wie verlobt.«
»Aber das stimmt nicht«, erkläre ich ihm, was er mir offensichtlich nicht glaubt. Denn er trinkt sein Glas aus, setzt es donnernd auf dem Esstisch ab und geht dann zu dem bodentiefen Sprossenfenster, starrt hinaus in den dunklen Garten, während ich zu begreifen versuche, wie das alles zusammenhängt.
Dann lag ich mit meiner Vermutung also doch richtig, denke ich. Deshalb war Matteo so komisch, als ich ihn am Haus seiner Mutter aufhalten wollte – weil Nigel ihm irgendwelchen Mist erzählt hat und er dachte, ich hätte ihn über mein Verhältnis zu Nigel angelogen. Wenn das wirklich stimmt, dann kann Nigel was erleben, wenn ich ihn das nächste Mal sehe. Doch jetzt gerade nützen mir Rachegedanken leider nichts.
»Es stimmt wirklich nicht, Matteo.«
Er wendet sich wieder zu mir um, und das Lächeln, das auf seinem Gesicht liegt, verändert sich, bekommt einen bitteren Zug.
»Ich weiß, dass es stimmt. Es ist offensichtlich. Er verhält sich besitzergreifend, schickt dir ständig Nachrichten – die du jedes Mal vor mir versteckst. Außerdem ist er dicke mit deinem Vater, er hilft euch im Auktionshaus – natürlich hast du was mit ihm. Ich wollte das nur nicht sehen, weil ich …«, er atmet tief durch, »… verblendet war.«
»Dann bist du gefahren, weil du eifersüchtig warst?«, frage ich und bin trotz seiner Anschuldigungen plötzlich erleichtert. Denn dann bin ich ihm nicht egal.
Doch er schüttelt den Kopf, leugnet das vehement. »Nein, ich bin gefahren, weil ich endlich wieder zur Vernunft gekommen bin. Das zwischen uns ist Chemie, Sophie. Anziehungskraft. Eine dumme Obsession. Mehr nicht. Das vergeht wieder. Es ist nicht Wichtig .« Er sagt es, als wenn er sich selbst davon überzeugen wollte, und dreht sich wieder zum Fenster um.
Ich bleibe hinter ihm stehen und starre auf seinen Rücken, die angespannte Linie seiner Schultern. Jetzt, wo ich von seiner Mutter weiß, was ihm passiert ist, ergibt das alles endlich einen Sinn. Vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen mit seiner Frau befürchtet er ständig, wieder enttäuscht zu werden, sich wieder auf etwas einzulassen, was seine Welt zerstören kann. Vielleicht hat er sogar nur darauf gewartet, dass ich ihn betrüge – damit er mich wieder wegstoßen und sich hinter dieser Mauer verschanzen kann, die er um sich gezogen hat.
Er ist so wütend und ich habe keine Ahnung, ob ich ihn noch erreichen kann. Aber ich muss es zumindest versuchen.
»Nigel hat gelogen, Matteo, nicht ich«, sage ich leise, aber bestimmt. »Er war immer nur ein Freund für mich, genau wie ich gesagt habe. Nur in einer Hinsicht hast du recht: Er empfindet mehr für mich, und auch mein Vater würde es gerne sehen, wenn aus Nigel und mir ein Paar wird. Ich habe ihm allerdings zu keinem Zeitpunkt Hoffnungen gemacht, und da war auch nichts zwischen uns. Da war nichts und da wird nie etwas sein.«
Ich hole tief Luft und lege die Hand auf seinen Arm. »Ich liebe einen anderen, Matteo. Ich liebe dich.«
Es fällt mir nicht leicht, ihm das zu gestehen. Ich trage mein Herz nicht auf der Zunge, ich bin mindestens so gut darin wie Matteo, meine Emotionen zu verbergen, wenn es sein muss. Aber ich muss ehrlich zu ihm sein, wenn ich eine Chance haben will, ihn zu erreichen. Denn es stimmt, was ich gesagt habe, auch wenn es mir in dieser Tragweite erst jetzt wirklich klargeworden ist.
»Ich liebe dich«, wiederhole ich. »Und ich will mit dir zusammen sein. Mir dir und niemandem sonst.«
Matteo dreht sich um und starrt mich an, so als könnte er nicht fassen, was ich gesagt habe – so als wäre das völlig absurd.
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