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Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Verführung der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alix Rickloff
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abbekommen – ein Netz von Gewalttätigkeiten verunzierte die harten, ausgeprägten Muskeln –, aber auch kein anderer seiner Körperteile war verschont geblieben.
    Irgendwann einmal war er die Zielscheibe brutalster Mordversuche gewesen. Wieso war er also nicht gestorben? Diese vielen schweren Verletzungen hätten sich doch eigentlich als fatal erweisen müssen. Noch eine Frage, auf die er vermutlich keine Antwort wüsste, wenn sie sie ihm stellen würde.
    Er bewegte sich und riss die Hand hoch, als wollte er einen Schlag abwehren. Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, er biss die Zähne zusammen, und seine Brust hob und senkte sich, als er nach Atem rang. »Mae gormod ohonynt. Tynnwch nol. Gwarchoda Tywysog Hywel. Amddiffyna’r tywysog.«
    Seltsam. Das war weder Englisch noch Gälisch, sondern eine ihr völlig unbekannte Sprache. Da sie es jedoch nicht über sich brachte, sich zurückzuziehen, trat sie leise näher. Vielleicht konnte sie einfach die Tür abschließen, damit niemand merkte, dass sie sich von ihrer Neugier an sein Bett hatte ziehen lassen. Wenn sie blieb, würde sie vielleicht mehr hören. Vielleicht würde er sich im Schlaf erinnern und ihr irgendwelche Hinweise auf seine Vergangenheit geben. Und am Morgen könnte sie ihm dann alles erzählen, was sie erfahren hatte. Ihm vielleicht eine einzige Erinnerung entlocken und den Rest ganz von allein kommen lassen. Als Heilerin hatte sie gelernt, dass alle Geschöpfe Hilfe verdienten. Sie würde nur ihrer Berufung folgen.
    Nicht einmal Schwester Brigh könnte das bekritteln.
    So hatte sie keinerlei schlechtes Gewissen, als sie sich hinsetzte und wie die personifizierte Geduld die Hände auf dem Schoß verschränkte.
    Sie war gut darin, sich still zu verhalten und abzuwarten. Sich unsichtbar zu machen. Das war schon immer so gewesen, selbst in ihrer Kindheit. Als Jüngste der Familie hatte sie dieses Talent zu ihrem Vorteil eingesetzt. Ihre Brüder Aidan und Brendan pflegten ihre Anwesenheit bei ihren privaten Spielen oder Unterhaltungen zu vergessen und ihre Eltern, dass sie noch nicht zu Bett geschickt worden war, sondern sich mit einem Buch in einer stillen Ecke zusammengerollt hatte. Auch ihre Kinderschwester neigte dazu, ihre Existenz zu vergessen, weil sie viel zu sehr mit dem Dienstmädchenklatsch beschäftigt war, um sich um ein ruhiges Kind zu sorgen, das wenig Aufmerksamkeit erforderte. Besonders im Vergleich zu den sehr viel unbesonneneren Brüdern.
    Der Fremde drehte sich um, mit einem Arm vor dem Gesicht und sichtlich steifem Nacken, an dem ein Muskel zuckte. »Dwi’n dy garu di.«
    Sabrina schnippte in Gedanken mit den Fingern. Walisisch! Sie erkannte jetzt das Wort für »Liebe«, weil sie einmal eine Gouvernante gehabt hatte, die aus Cardiff stammte. Eres Jones-Abercrombie war eine sauertöpfische Frau mit scharfer Zunge und schnell zuschlagender Hand gewesen. Sabrina war nie glücklicher gewesen als an dem Tag, an dem die Frau Belfoyle verlassen hatte, um eine Stellung in Lord Markhams Haushalt anzutreten.
    Dieser Mann war also Waliser. Und er liebte jemanden. Irgendwo da draußen gab es jemanden, der ihn vermisste und um ihn trauerte. Umso mehr Grund, bei ihm zu bleiben und herauszufinden, so viel sie konnte.
    Er zuckte zusammen und stieß die Faust in die Luft. Tiefe Furchen gruben sich in seine Wangen, und seine Armmuskeln spannten sich an wie gegen einen unsichtbaren Feind. »Das Tagebuch! Sofort.«
    Diesmal sprach er Englisch. So knapp, dass es fast wie ein Knurren klang, aber mit einem singenden Tonfall, der wohl von dem Walisisch, das er gerade noch gesprochen hatte, zurückgeblieben war. Autorität schwang in seiner knappen Forderung mit. Dies war ein Mann, der von Menschen Gehorsam erwartete. Ein Schiffskapitän, der über Bord gespült worden war? Ein Opfer einer Meuterei? Aber wie passte das Tagebuch dazu? War er ein Spion, der hinter feindlichen Geheimnissen her war? Ein Ehemann, dem Unrecht zugefügt worden war? Das könnte zu dem Wort für »Liebe« passen, das er verwendet hatte. Vielleicht war er hintergangen worden, und der Beweis dafür stand in dem Tagebuch, das seine Frau führte?
    Sabrinas Fantasie ließ sich ein Szenario nach dem anderen einfallen, jedes noch aufregender und reißerischer als das vorhergehende. Sie wünschte nur, sie hätte einen Stift und ihr eigenes Tagebuch, um die verschiedenen Vermutungen darin festzuhalten, bevor sie ihr wieder entglitten.
    »Wie du willst.« Trauer schwang in diesen

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