Verführung der Schatten
verglichen mit dem, was sie heute Nacht getan hatte? Sie war Feuerbomben ausgewichen. Sie hatte getötet …
„Ich fänd’s wunderbar, wenn du mit mir mitkommen würdest“, sagte er. „Bist du denn wieder in New Orleans, wenn ich zurückkomme?“
Das hing davon ab, wo sich der nächste Checkpoint befand. Der Checkpoint, der auf den Koordinaten basierte, die ihr ein Geist gegeben hatte. Holly fühlte sich, als ob sie gleich in hysterisches Gelächter ausbrechen würde. Stattdessen sagte sie: „Ich bin nicht sicher, aber morgen weiß ich mehr.“
„Mir ist aufgefallen, dass du gar nichts mehr auf den Datenspeicher hochgeladen hast. Kommst du nicht weiter mit deiner Arbeit?“
Sie seufzte. „Ja, es läuft gar nicht gut.“
„Tut mir leid, Holly“, sagte Tim. „Ich bin da, wenn du jemanden zum Zuhören brauchst.“
„Ich weiß. Du bist immer für mich da.“ Zuverlässiger, solider Tim.
„Du klingst … anders. Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist? Es kommt mir so vor, als ob du irgendwas auf dem Herzen hättest.“
Um ehrlich zu sein … „Tim, was würdest du dazu sagen, wenn ich mir einen Job außerhalb der Uni suchen würde? Vielleicht könnte ich nach der Promotion bei irgendeiner Firma arbeiten.“
„Du weißt doch, dass ich dich bei allem unterstützen würde, ganz egal, was du tun möchtest.“ Er zögerte. „Es ist nur so, dass …“
„Was?“, fragte sie.
„Manchmal … kommst du außerhalb der Uni, na ja, nicht so gut zurecht.“
Eine nette Art zu sagen, dass sie gelegentlich arbeitsunfähig war. „Was wäre, wenn sich das gebessert hätte?“
„Ich bin mir sicher, du kannst alles tun, was du dir vornimmst. Aber ich dachte, du möchtest Kinder haben.“
„Na ja, viele Frauen, die in der Wirtschaft arbeiten, haben Kinder.“
„Das ist richtig“, stimmte er ihr zu, aber aus irgendeinem Grund zuckte ihr Ohr.
„Hältst du das für falsch?“
„Aber natürlich nicht.“ Er seufzte. „Holly, es kommt mir fast so vor, als ob du es auf einen Streit abgesehen hättest. Hab ich irgendwas falsch gemacht?“
Sie rieb sich die Stirn. Sie war hier die Schuldige, die auf dem Dach eines Sportwagens untreu gewesen war, und trotzdem reagierte sie aggressiv und gereizt auf ihn.
Auch wenn ihr das sehr wohl bewusst war, musste sie einfach fragen: „Warum hast du eigentlich nie darauf bestanden, dass wir Sex haben?“ Als er daraufhin nur dummes Zeug erzählte und zu keiner klaren Antwort fähig zu sein schien, wusste sie, dass ihre ungewöhnliche Unverblümtheit ihn glatt umgehauen hatte.
Schließlich sagte er: „Weil du so strikt dagegen warst.“
„Aber du möchtest schon mit mir schlafen?“
„Aber selbstverständlich, Schatz.“ Wieder dieses Kosewort. Klang es etwa gekünstelt? Cadeon nannte so nur Frauen, die er nicht begehrte.
„Du bist wunderschön und begehrenswert“, fuhr Tim fort.
Und warum hast du dann nicht ein Mal versucht, mir näherzukommen?
Wo kamen denn jetzt diese Gedanken schon wieder her? Sie war eine feste Bindung mit Tim eingegangen, und jetzt sah sie alles plötzlich mit anderen Augen, nur weil ihr Leben gegenwärtig ein einziges Chaos war?
Triff keine Entscheidung, ehe nicht alles wieder normal ist. Lass die Konstanten konstant bleiben.
Tim war ein guter Mann. Jedes Mädchen konnte sich glücklich schätzen, ihn zu haben. Sogar ihre Eltern hatten ihn gemocht.
Oder hatten sie sich etwa nur darüber gefreut, dass sie endlich einen Freund hatte?
„Tut mir leid, Tim. Ich weiß auch nicht, was im Moment mit mir los ist. Vielleicht kann ich dich morgen noch mal anrufen?“
„Ist schon in Ordnung. Solche Tage haben wir doch alle mal.“
Tim nicht.
Nachdem sie das Gespräch beendet hatten, stierte sie geistesabwesend auf den Bildschirm ihres Laptops.
Selbst wenn sie sich dazu entschied, mit Tim Schluss zu machen, war die Alternative nicht Cadeon. Der Dämon mochte noch so aufregend und sexy sein, und sicher konnte man viel Spaß mit ihm haben, aber eine Beziehung mit ihm konnte niemals funktionieren. Dazu war er zu impulsiv, zu launisch. Sie wusste ja nicht mal, ob Cadeon überhaupt zu einer tiefen, dauerhaften Liebe fähig war.
Holly wünschte sich eine beständige Liebe, so wie die ihrer Eltern. Sie hatte immer gehofft, dass sich zwischen ihr und Tim einmal etwas Ähnliches entwickeln könnte.
Aber warum ist das in den zwei vergangenen Jahren nicht passiert? Du klammerst dich an ihn, weil du Angst hast.
Halt die Klappe, dunkle
Weitere Kostenlose Bücher