Verfuehrung im Harem
recht.“
„Gut, dass dir bewusst ist, wie sehr deine Eltern dich lieben.“
„So habe ich es nicht gemeint. Du hast insofern recht, als dass du eigentlich nicht mitreden kannst.“
„Okay“, erwiderte sie lächelnd. „Kein Mensch ist fehlerlos, und wir lernen, die Fehler der Menschen, die uns nahestehen, zu übersehen. Ich habe jedoch das Gefühl, zwischen dir und deinem Vater geht unterschwellig irgendetwas vor. Etwas ist da ganz und gar nicht in Ordnung.“
„Das stimmt nicht“, behauptete er.
Aufmerksam betrachtete sie ihn. „Du warst wirklich zornig auf ihn, und das lag sicher nicht nur daran, dass er mich hinsichtlich der Annullierung unserer Ehe umstimmen möchte.“
„Gut, mein Vater und ich sind in vielerlei Hinsicht verschiedener Meinung.“
„Das habe ich mir gedacht. Trotzdem bin ich mir ganz sicher, dass deine Eltern dich lieben.“ Sie hob die Hand, als er sie unterbrechen wollte. „Lass mich ausreden. Wenn man sich so sehr nach Liebe und Zuneigung gesehnt hat wie ich, hat man ein besseres Gespür dafür. Spar dir also die Mühe, mir vorzuhalten, ich sei voreingenommen oder mein Blick sei getrübt.“
„Das hatte ich auch gar nicht vor.“ Sie waren im Erdgeschoss angekommen und verließen den Aufzug. Kardahl nahm ihre Hand und führte Jessica durch die riesige Eingangshalle mit dem Marmorfußboden.
Schließlich öffnete er eine der breiten Türen, und sie gingen hinaus ins Freie. In der warmen Luft hing ein betörender Duft nach Jasmin und anderen exotischen Blüten. Eine hohe Mauer umgab den weitläufigen Palastgarten, und Scheinwerfer strahlten die herrlichen Palmen, das üppige Grün und die wunderschönen Pflanzen an.
„Kardahl, ich bin total begeistert! Es ist unglaublich schön hier.“ Jessica sah sich bewundernd um.
„Ich habe mir gedacht, dass es dir gefällt. Hierhin ziehe ich mich zurück, wenn ich …“
„Wenn du dich beruhigen und nicht vor lauter Zorn aus der Haut fahren oder mit den Fäusten auf jemanden losgehen willst?“
„Ja, so ungefähr“, antwortete er und konnte sich nur mühsam das Lächeln verbeißen. Seine widerspenstige Frau faszinierte ihn immer mehr.
Man behauptete, Unglück forme den Charakter, und deshalb schloss er aus dem Wenigen, was sie ihm über ihr Leben erzählt hatte, dass sie genau wie er Charakterstärke entwickelt hatte. Allerdings hatte sie alle Details ausgelassen mit dem Hinweis, alles andere sei unwichtig. Er hatte jedoch den Schmerz in ihren Augen bemerkt und schloss daraus, dass das, was sie erlebt hatte, nicht so unwichtig war, wie sie tat.
„Es kommt mir vor wie ein kleines Paradies“, sagte sie geradezu ehrfürchtig. „Ich wünschte, ich könnte für immer hierbleiben.“
Schweigend beobachtete er sie, während sie die Schönheit der Umgebung auf sich wirken ließ. Jessicas eigene Schönheit schien diesem Platz noch mehr Würde und Frieden zu verleihen, wie Kardahl fand. Insgeheim verglich er sie mit einer Wüstenblume, die stark, anpassungsfähig und ungemein faszinierend war.
„Du kannst dich jederzeit hierhin zurückziehen.“ Er nahm ihre Hand und führte Jessica über den Weg, der zwischen den blühenden Pflanzen hindurchführte.
„Danke, aber ich bin ja nicht mehr lange hier“, erinnerte sie ihn.
„Dann solltest du die Zeit, die dir noch bleibt, nutzen.“
„Weißt du es eigentlich zu schätzen, dass du ein solches Leben führen kannst? Oder ist es für dich genauso selbstverständlich wie für deine Eltern?“
„Schwer zu sagen.“ Er zuckte die Schultern. Da er inzwischen den Bericht des Privatdetektivs, den sein Vater mit Nachforschungen beauftragt hatte, gelesen hatte, wusste er, dass ihre Mutter an Alkoholmissbrauch gestorben war. Deshalb nahm er Jessica die kritischen Fragen nicht übel. „Jedenfalls kann ich meinen Vater genauso wenig ändern, wie du das ändern kannst, was mit deiner Mutter passiert ist.“
Jessica entzog ihm die Hand und verschränkte die Arme wie schützend über der Brust. Lange ging sie schweigend neben ihm her. „Was weißt du über meine Mutter?“, fragte sie schließlich.
„Viel.“
„Woher?“
„Mein Vater hat Erkundigungen über dich eingezogen.“
„Dass meine Mutter weder mit meinem Vater noch mit einem anderen Mann verheiratet war, hat offenbar niemanden gestört, sonst würde es jetzt diese arrangierte Ehe nicht geben“, stellte sie fest, und in ihrer Stimme schwangen Ironie und Verbitterung. „Sie hat nie aufgehört zu hoffen, doch noch den
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