Verführung in weißer Seide
über seine Erlebnisse schreiben wolle.
“Am letzten Freitag ließ der Detektiv verbreiten, dass ich freigesprochen werde, wenn ich mit ihm die Insel verlassen würde. Da habe ich mich gestellt, und … hier bin ich!” Er breitete die Arme aus, und alle applaudierten.
Als weitere Freunde eintrafen, erzählte er die ganze Geschichte noch einmal. Bald fiel Tess auf, wie oft er den Namen der Tochter des Wärters erwähnte, die ihn befreit hatte. Kiki.
Kiki hier und Kiki da. Sehr interessant.
Als er heiser wurde, berichteten die Freunde ihm, was er an der Uni alles verpasst hatte. Und schließlich rief sein Bruder: “Phillip, hast du eigentlich schon von Tess’ Abenteuer gehört?”
Alle verfielen in verlegenes Schweigen.
Phillip sah ihr ins Gesicht, und sie spürte, wie sie rot anlief, als habe sie ihn absichtlich hintergangen. Hatte sie nicht über ein Jahr auf ihn gewartet, während er Indiana Jones spielte und sich mit Kiki amüsierte?
“Ja, das habe ich gehört.” Er blickte auf den Diamantring an ihrem Finger, und als er den Blick wieder hob, wirkte er betroffen, aber bei Weitem nicht so sehr, wie Tess es erwartet hätte. “Deine Mutter hat es mir erzählt. Wenn ich es richtig verstanden habe, bist du für eine gewisse Zeit verheiratet.”
“Erst seit Freitag”, versicherte Tess’ Mutter schnell.
“Und nur auf dem Papier”, fügte Kristen hinzu.
Tess’ Magen verkrampfte sich. Cole und sie wollten den Eindruck erwecken, eine richtige Ehe zu führen, damit es vor Gericht keine Probleme gab, und jetzt verkündete Kristen, die Ehe bestehe nur auf dem Papier. Das ärgerte Tess. Außerdem war es nicht richtig.
Ihre Ehe mit Cole bestand aus Sex, wilder Lust und sehr viel Zärtlichkeit …
“Natürlich ist es nur auf dem Papier”, sagte Phillip. “Ich verstehe sehr gut, wieso sie es getan hat.” Warmherzig sah er Tess an. “Sie wollte Geld bekommen, damit der Detektiv weiter nach mir suchen kann.” Dankbar zog er sie an sich. “Du und deine Familie, ihr habt dafür gesorgt, dass ich jetzt hier sitze, Tess. Das werde ich dir niemals vergessen.”
Sie lächelte, aber sie konnte sich nicht gegen das schlechte Gewissen wehren. Vielleicht fühlte sie sich deswegen so unwohl, als er sie eng an sich drückte.
“Sag mal, wie waren denn die eingeborenen Frauen so?”, meldete sein Bruder sich wieder zu Wort. “Sind sie oben ohne herumgelaufen? Haben sie dich als blonde Gottheit verehrt?”
Phillip lachte ein bisschen zu herzlich und wich den Fragen mit einem Scherz aus.
Das Telefon klingelte, und Tess’ Mutter meldete sich. Dann reichte sie den Hörer an Phillip weiter. Herzlich begrüßte er die Anruferin und redete ein wenig mit ihr, bevor er das Telefon an Tess weiterreichte. “Es ist Kathleen O’Brian. Sie möchte mit dir sprechen.”
Die Professorin, die den gälischen Text übersetzt hatte. “Tess, ich habe mir die beiden Versionen des Fluchs noch einmal angesehen”, sagte sie. “Den, den du mir zugefaxt hast, und die Version, die mir der Anwalt von Cole Westcott zugeschickt hat.” Sie zögerte, und dann klang sie verlegen. “Mir ist aufgefallen, dass ein paar Ausdrücke moderner sind, als ich ursprünglich dachte.”
“Moderner? Was meinst du damit?”
“Beide Versionen des Fluchs sind mit 1825 datiert, deshalb nahm ich an, das Datum sei korrekt. Aber ein paar Formulierungen wurden erst gegen 1900 benutzt.”
Tess runzelte die Stirn. “Wie kann das sein? Die Erklärungen in beiden Bibeln belegen doch ganz klar, dass beide Familien 1825 mit dem Fluch belegt wurden. Die Bibeln selbst müssen noch älter sein.”
“Da das falsche Datum angegeben ist, würde ich sagen, dass der Fluch eine Fälschung ist.”
“Wie bitte?”
“Jemand hat Anfang des 20. Jahrhunderts die beiden Bibeln gefunden und die Flüche hineingeschrieben, um die Leute davon zu überzeugen, dass die beiden Familien seit 1825 verflucht sind. Wieso jemand das tun sollte, ist mir selbst unklar.”
“Aber wie kann jemand dasselbe in beide Bibeln schreiben, wenn sie zu verschiedenen Familien gehören und in unterschiedlichen Häusern liegen? Die Familien sind seit jeher verfeindet.”
“Tut mir leid, Tess. Wenn du weitere Erklärungen brauchst, dann frag Cole Westcott.”
“Cole?” Allein das Nennen seines Namens weckte in Tess die Sehnsucht. Sie umklammerte das Telefon etwas fester. “Was weiß er denn über altes Gälisch?”
Einen Augenblick herrschte Schweigen in der Leitung. “Tess, ich muss
Weitere Kostenlose Bücher