Verfuhrt auf dem Maskenball
Schmerz und Leid zuzufügen.“
„Das wissen wir. Ich habe dich so lieb“, sagte Papa und zog sie an sich. „Wir wollen nie wieder davon reden, Lizzie.“
„Und wie gefällt es Ihnen in London?“, erkundigte sich Rory höflich. Sonst wusste er nichts zu sagen, was ausgesprochen untypisch war für ihn. Er kam sich so schüchtern vor wie ein Schuljunge, und am liebsten hätte er an seiner Krawatte gezogen, bis sie lockerer saß, aber das hatte er schon getan. Georgina war eine der schönsten Frauen, die ihm je begegnet waren, doch sie schien immun zu sein gegenüber seinem Charme und seinen geistreichen Bemerkungen. Und jetzt hatte er auch noch erfahren müssen, wie klug sie war. Ihre unterschiedlichen politischen Ansichten trennten sie wie ein Abgrund voneinander, den es zu überwinden galt, doch er bewunderte sie sehr für ihre profunden Kenntnisse.
Sie stand an der Terrassentür und blickte hinauf zu den Sternen, doch sie bedachte ihn mit einem Seitenblick. Verglichen mit den koketten Frauen, an die er gewöhnt war, wirkte sie bemerkenswert ruhig. „Ich liebe London“, sagte sie, doch sie lächelte nicht. Auf ihn wirkte sie ein wenig nervös, aber ganz sicher war er sich nicht.
Ihr klassisches Profil hatte er schon früher bewundert – in einem anderen Leben hätte sie eine blonde ägyptische Königin sein können. Obwohl ihre Familie weder über Macht noch über Einfluss verfügte, hatte sie stets eine fast königliche Haltung gezeigt. Er wusste, er sollte etwas Heiteres sagen, doch dieses eine Mal verließen ihn sein Witz und sein Charme. Also sagte er: „Und warum gefällt es Ihnen so sehr in der Stadt?“
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Sie war schlank und hochgewachsen, und diese Geste betonte ihre weibliche Figur. Da ihr Kleid nicht gerade gewagt geschnitten war, sollte er das eigentlich nicht bemerken, aber es entging ihm keineswegs. „Hier gibt es niemals Langeweile“, sagte sie und sah ihn endlich an.
Er hielt ihrem Blick stand, doch er bemerkte nicht gleich, dass sie damit wohl auf die Auseinandersetzung mit ihm anspielte. Stattdessen dachte er daran, dass sie vermutlich sehr lange Beine hatte, und das weckte äußerst anregende Vorstellungen in ihm. „Sie meinen, wegen so aufwieglerischer Dummköpfe, wie ich einer bin?“
Sie errötete. „Es war wirklich nicht nett von mir, so etwas zu sagen. Es tut mir leid, dass ich mich habe hinreißen lassen, Mr. McBane. Ein Aufstand ist ein schlimmes Verbrechen, und der Krieg ist kaum vorbei, auch wenn Napoleon sich jetzt auf der Flucht befindet. Noch immer kann ein Mann wegen des Verdachts der Aufwiegelei gehängt werden.“
„Und würde Ihnen das etwas ausmachen?“, hörte er sich selbst beiläufig fragen.
Sie blickte hinaus in die Nacht. „Ich würde es mir nicht gerade wünschen.“
„Das erleichtert mich sehr.“ Sein Puls raste inzwischen.
Sie lächelte, doch unterdrückte es dann rasch wieder.
Er hatte sie zum Lächeln gebracht! Jetzt fühlte er sich wirklich wie ein Schuljunge, denn er war sehr stolz. „Also was ist es, das Ihnen an London so besonders gefällt?“ Er erwartete von ihr eine Antwort, wie jede junge Dame sie geben würde – dass sie die Bälle und Dinnerpartys mochte, dass es so viele Damen und Herren aus vornehmer Familie in der Stadt gab und dass alles so aufregend war.
„Das Beste in London?“ Jetzt klang ihre Stimme eifrig.
Er nickte. Er wollte es wirklich gern wissen.
„Die Buchläden“, sagte sie, und zwei zartrosa Flecke erschienen auf ihren Wangen.
„Die Buchläden“, wiederholte er. Seltsamerweise war er beinah froh. Er hätte wissen müssen, dass eine so kluge und entschiedene Frau sich lieber mit Büchern beschäftigte als mit Mode und einen Buchladen jedem Ballsaal vorziehen würde.
„Ja, die Buchläden liebe ich besonders.“ Sie hob den Kopf. „Ich sehe, Sie sind überrascht. Jetzt kennen Sie also die Wahrheit – ich bin eine sehr ungewöhnliche Frau. Ich besitze ausgeprägte politische Ansichten, ich mag keine Dinnerpartys, und ich kann mir keinen schöneren Zeitvertreib denken als die Lektüre von Plato oder Sokrates.“
Er starrte sie an. Und auf einmal begann er, sich zu fragen, ob diese Frau wohl jemals geküsst worden war. Aber natürlich war sie das, von diesem grässlichen Mann, mit dem sie einst verlobt gewesen war. Das verstand er noch immer nicht. „Warum klingt nur alles, was Sie sagen, wie eine Herausforderung?“
Sie machte große Augen. „Ich fordere Sie
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