Verfuhrt auf dem Maskenball
herübergekommen war, mit Edward und Devlin O’Neill, ihrem erstgeborenen Sohn. Sie sprachen über den Krieg – ein wohl unerschöpfliches Thema –, und wie immer in ihrer Familie vertrat jeder der Anwesenden eine andere Meinung. Es war eine hitzige Diskussion, die da vonstattenging, doch Tyrell hörte kaum zu. Stattdessen starrte er mit ernster Miene in die zuckenden Flammen und war offensichtlich in Gedanken weder bei dem Gespräch noch bei ihrer Zusammenkunft.
Mary beobachtete ihn weiter, denn sie liebte ihn so sehr wie einen leiblichen Sohn. Dennoch wagte sie es nicht, sich einzumischen, was seine düstere Stimmung betraf, und Edward weigerte sich, das zu tun. Sie war fest davon überzeugt zu wissen, warum Tyrell in der letzten Zeit nur selten lächelte, warum er sich in seine Arbeit vergrub. Sein Herz war gebrochen, und sie wünschte, diejenige zu sein, die es heilen konnte.
Welches Glück sie gehabt hatte – sie hatte aus Liebe heiraten können, nicht nur einmal, sondern sogar zweimal, und Edward war die Liebe ihres Lebens. Anders als viele andere Damen ihres Standes glaubte sie nicht, dass ein Erbe sich im Namen der Pflichterfüllung für die Familie opfern müsste, denn sie hatte mit eigenen Augen gesehen, wohin eine solche Selbstaufopferung führen konnte.
Plötzlich löste sich Devlin aus der Gruppe der Männer. Groß, gut aussehend und leicht gebräunt, lächelte er, während er zu den Damen hinüberging, und sah seiner Gemahlin in die Augen. Virginia saß neben Blanche, die während der Feiertage zu Besuch bei ihnen weilte, und die sechzehnjährige Eleanor saß in Marys Nähe auf dem Sofa. Sie sahen einander an, wie Verliebte das eben tun, und Mary freute sich für sie. Es war noch nicht lange her, da war Devlin von Rache getrieben worden, doch Virginia war es gelungen, das zu ändern.
„Mutter?“ Er lächelte ihr zu. „Warum bist du so nachdenklich?“
Sie ließ den Blick zurück zu Tyrell schweifen. „Ich bin nur müde“, sagte sie zu ihrem Stiefsohn.
Devlin folgte ihrem Blick. „Würdest du mir vielleicht erzählen, warum er so launisch ist?“
Mary erhob sich, und sie entfernten sich ein paar Schritte von den Frauen.„Ich hege da so einen Verdacht, aber vielleicht kannst du mit ihm sprechen und dir selbst ein Bild verschaffen. Damals, als du Virginia geheiratet hast, da hat er dir sehr geholfen. Vielleicht kannst du jetzt etwas für ihn tun?“
Devlin zog die Brauen hoch und blickte zu Blanche, die mit ihren zukünftigen Schwägerinnen plauderte. „Ich glaube, ich verstehe allmählich“, sagte er langsam. „Du hast recht. Für mich war er viel mehr als nur ein Bruder. Aus Rache hätte ich um ein Haar Virginia verloren. Er war mir ein guter Freund. Vielleicht kann ich ihm nun den Gefallen erwidern.“ Er wandte sich zum Gehen.
Mary hielt ihn am Arm fest. „Wird Sean auch kommen?“, fragte sie und meinte damit ihren jüngeren Sohn.
Devlin lächelte beruhigend. „Seit er im Juni Askeaton verlassen hat, habe ich nichts mehr von ihm gehört. Vermutlich ist er noch in den Midlands. Auf welches Abenteuer er sich auch eingelassen haben mag, ich bin sicher, dass wir bald etwas darüber hören werden.“
Mary nickte und hoffte, dass er heimkehrte. Im Juni hatte Sean den Familiensitz ganz plötzlich verlassen und weder gesagt, wohin er ging, noch, was er vorhatte. Das war schon recht seltsam. Er war erst seit ein paar Monaten fort, und Mary war noch nicht ernsthaft in Sorge, aber sie vermisste ihn. Natürlich fehlte auch Cliff, aber er war immer ein Abenteurer gewesen.
Sie sah zu, wie Devlin Virginia half, sich zu erheben, und er küsste ihre Wange. Dann kniff er seine Stiefschwester ins Kinn, als wäre sie noch immer ein kleines Mädchen, und wandte sich Blanche zu. „Gefällt Ihnen Ihr erstes Familienfest mit den de Warennes?“
„Sehr“, erwiderte Blanche lächelnd. „Ich bin ein Einzelkind, und es ist sehr schön, an so viel Wärme und Heiterkeit teilzunehmen.“
Mary beobachtete, wie Devlin weiter mit Tyrells Verlobter plauderte. Während der wenigen Monate, in denen sie Blanche jetzt kannte, hatte sie sie nie anders als vorbildlich erlebt. Nie erhob sie die Stimme, nie verlor sie die Geduld, sie war großzügig und hilfsbereit. Mary mochte sie wirklich gern – es gab auch überhaupt keinen Grund, sie nicht gernzuhaben. Aber Tyrell schien ihr gegenüber abweisend. Und Blanche nahm das offenbar nicht einmal zur Kenntnis.
So sehr hatte sie gehofft, dass die beiden sich
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