Verfuhrt auf dem Maskenball
war ein Irrtum, denn sie war diejenige, die ihn liebte. Ihre Schwester hatte ein Dutzend Verehrer. Das alles war ein schrecklicher Irrtum.
Das Zimmer hörte auf, sich zu drehen. Lizzie sah Anna, die hinter Eleanor stand und sie mit aschfahlem Gesicht anstarrte.
Lizzie befeuchtete ihre Lippen. Es fiel ihr schwer, etwas zu sagen, ihr war, als hätte sie die Stimme verloren. „Anna?“ Das musste ein Irrtum sein. Niemals würde ihre Schwester ihr so etwas antun.
Annas Augen glänzten von Tränen. „Es tut mir so leid!“
Und dann traf Lizzie die ganze grausame Wahrheit mit aller Macht. Anna hat mit Tyrell das Bett geteilt, und nun erwartet sie sein Kind.
Der Schmerz, der jetzt ihr Herz durchfuhr, war unbeschreiblich. Doch so weh es auch tat, da war noch mehr – das unerträgliche Gefühl, betrogen und verraten worden zu sein. Während der ganzen Zeit, in der sie an Tyrell gedacht hatte, ihn auf so lächerliche Weise angeschmachtet hatte, da war Anna seine Geliebte gewesen.
Lizzie presste die Hand an ihre Brust und schrie auf. Anna wandte sich ab. Der Kummer schien sie vollkommen auszufüllen – jetzt verstand sie auf einmal die Bedeutung dieses Wortes. Sie schloss die Augen, aber unwillkommene Bilder drängten sich ihr auf, Bilder von ihrer Schwester, wie sie mit Tyrell zusammen war.
Doch wie konnte das geschehen? Tyrell de Warenne war ein Gentleman. Niemals würde er ein unschuldiges junges Mädchen verführen.
„Ich rufe jetzt den Arzt!“, erklärte Eleanor beunruhigt. „Leclerc! Lassen Sie sofort Dr. Fitz Robert kommen!“
Lizzie wollte ihrer Tante sagen, dass das nicht nötig war, denn kein Arzt konnte ihr gebrochenes Herz heilen. Doch heraus kamen andere, anklagende Worte. „Wie konnte das geschehen?“, rief sie und starrte ihre Schwester an. Und plötzlich wurde sie schrecklich wütend. „Du hattest ein Dutzend Bewunderer! Warum ausgerechnet er?“
Anna schüttelte den Kopf. Ihre Lippen zitterten, und sie hielt ihre Arme verschränkt, als wolle sie sich schützen. „Du würdest es nicht verstehen. Ach Lizzie, ich habe den Tag so sehr bereut.“
Eleanor erhob sich langsam und sah von einer Schwester zur anderen.
„Mir geht es nicht gut!“, rief Anna. „Ich will mich jetzt hinlegen.“ Sie machte kehrt und wollte davonlaufen.
Lizzie sprang auf. „Nein! Wie kannst du es wagen, vor mir davonzulaufen? Sieh mich an! Ich verlange eine Erklärung!“
Anna erstarrte. Sie war stehen geblieben, mit dem Rücken zu Lizzie. Ihre Schultern zitterten vor Anspannung.
Lizzie rührte sich nicht. Sie bebte vor Zorn. Alle Männer bewunderten Anna. Warum sollte Tyrell eine Ausnahme bilden? Und Lizzie fühlte, wie Tränen über ihre Wange liefen. Natürlich wollte Tyrell Anna. Aber gewiss hätte er ihr einen Antrag gemacht und sie nicht so ruiniert.
„Was geht hier vor?“, erkundigte sich Eleanor sehr ruhig. „Irgendetwas ist mir entgangen.“
Starr, so starr, dass sich nicht einmal ihre Lippen bewegten, sagte Lizzie: „Ich möchte mit Anna reden. Allein.“
Eleanor zögerte. Dann ging sie hinaus und schloss die Tür hinter sich und Leclerc. Anna drehte sich herum. „Du solltest nie davon erfahren. Ich kann es nicht erklären – es ist einfach passiert! Lizzie! Sieh mich nicht so an!“
Lizzie schüttelte den Kopf. „Die ganze Zeit über war ich so verliebt in ihn und habe mich wie eine Närrin benommen, während ihr beide ein Liebespaar wart?“
„Nein!“, rief Anna. „So war es nicht! Es war nur ein einziges Mal, Lizzie. Es geschah auf dem Ball an Allerheiligen!“
Und sofort erinnerte sich Lizzie wieder an jedes Detail jener Nacht.
Tyrells Blicke, wie entschlossen er sich ihr genähert hatte, sein kühner Vorschlag, sein hitziges Verlangen. Wir treffen uns im westlichen Garten. Um Mitternacht.
Anna in ihrem mit Rum übergossenen Kleid, die sie anflehte, mit ihr das Kostüm zu tauschen, damit sie bleiben und den Rest des Abends genießen konnte. Es macht dir doch nichts aus, Lizzie? Du willst doch ganz bestimmt nicht hierbleiben?
Aber selbst in jener Nacht und trotz der vertauschten Kostüme konnte Tyrell die Schwestern unmöglich verwechselt haben. Das wusste Lizzie genau. Anna war zu schön und zu bezaubernd, um mit irgendjemandem verwechselt zu werden.
„Ist das denn wichtig? Du hattest bei ihm nie eine Chance, Lizzie. Das ist doch alles vorbei und vergangen, nicht wahr? Lizzie!“ Plötzlich klang Annas Stimme flehend. „Jetzt weiß ich, dass ich hätte nach Hause gehen sollen,
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