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Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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dass das, was Gabi Sonntagabend im Gebüsch an der Johanneskirche angerichtet hatte, die Kurzschlusshandlung einer pathologischen Fehleinschätzung gewesen war. Doch das bleibt unter uns. Selbstverständlich hegen wir keinen Verdacht gegen Frauen.
    »Erst wollte ich nicht kommen. Aber dann dachte ich, du bist doch die Einzige, die das versteht …«
    »Was soll ich verstehen?«, fragte ich alarmiert.
    Gabi blickte zur Tür, die einen Spaltbreit offen stand, und senkte die Stimme. »Das kann ich jetzt nicht erklären, nicht hier. Könnten wir nicht … irgendwohin gehen?«
    Ich stand auf. »Unten, gegenüber gibt es ein Bistro.«
    Martha trat uns in den Weg, als wir durchs Sekretariat kamen, durch das jeder Weg von den Büros zur Redaktionstür führte.
    »Wo wollt ihr hin? Es ist gleich Konferenz.«
    Ich hatte keine Zeit, mich über den familiären Ton zu wun dern, denn Gabi fauchte sofort ebenfalls ziemlich famili är: »Das ist unsere Sache!«
    Martha fuhr zurück. »Bitte. Ich wollte ja nur sagen, dass die Redaktionskonferenz in fünf Minuten anfängt.«
    »Dann seien Sie bitte so gut und entschuldigen Sie mich bei Marie«, sagte ich.
    Doch Gabi war inzwischen gänzlich kopfscheu. »Nein, ist schon gut. Ich komme schon allein zurecht. Entschuldige, dass ich dich gestört habe. Wird nicht wieder vorkommen.«
    Im nächsten Augenblick war sie zur Tür raus.
    »Was hat sie denn?«, fragte Martha großäugig.
    »Probleme«, sagte ich.
    Ich hätte wirklich gleich drauf kommen können, worin Ga bis Hauptproblem lag, aber ich dachte zu wenig darüber nach.
     

3
     
    Am folgenden Tag rief mich Zilla an. Gabi war festgenommen worden. Sie hatte am Abend im Sarah damit geprahlt, einen Vergewaltiger erschlagen zu haben. Psychisch ein bisschen instabil, das Mädchen. Zwar hatte ihr niemand wirklich geglaubt, aber heute früh hatte dann Gabis Freundin Hede Zilla angerufen und mitgeteilt, dass Gabi zur Polizei gegangen sei, um sich zu stellen, obgleich Hede ihr dringend davon abgeraten hatte. Offenbar steckte Gabi noch massiv in der Trotzphase.
    Ich versprach Zilla, mich darum zu kümmern, und bereute es sogleich. Es widersprach meiner Faulheit, meinem Mangel an Initiative und meinen geringen journalistischen Erfahrungen.
    Die nächstliegende Idee war, beim Stuttgarter Anzeiger anzurufen und den Mann zu verlangen, dessen Kürzel Krk unter dem Artikel über den Toten an der Johanneskirche gestanden hatte. Der, den ich nach einer Weile Durchschalterei und Gesinge, Getöse und »Bitte warten, please hold the line« am Ohr hatte, bellte »Kraus« in meinen Kopf. Er hatte eine Stimme zum Kotzen – wie man im Schwäbischen zum Räuspern und Husten sagte –, kurz: eine derartig verfroschte Stimme, dass ich mich unbedingt selbst erst einmal freihusten musste. »Lisa Nerz, Amazone .«
    Ein schmutziges Lachen. »Oh! Welche Ehre!«
    »Ich rufe an«, sagte ich, »wegen des Toten an der Johanneskirche. Haben Sie da nähere Informationen?«
    Der Mann räusperte sich. »Und warum rufen Sie nicht bei der Polizei an? Soll ich Ihnen die Nummer des Pressesprechers geben?«
    »Danke«, log ich, »der hat mir praktisch nichts gesagt.«
    »Ich bin kein Auskunftsbüro«, hustete Krk.
    Ich stellte mir einen fetten alten Reporter vor, den man nach jahrelanger Faulheit, Sauferei und Unfähigkeit zu den Polizeiberichten abgeschoben hatte.
    »Wie wär’s mit ein bisschen Amtshilfe unter Kollegen?«, säuselte ich.
    »Und was kriege ich dafür?«
    »Ich weiß zum Beispiel, dass in der Sache jemand festgenommen worden ist.«
    »Das wird mir das nächste Polizeifax auch mitteilen. Was weiter?«
    »Erst Ihre Informationen.«
    Es war einen Moment still. Das heißt, ich hörte ihn röcheln. »Na gut. Wenn Ihnen damit gedient ist … Moment …« Ich hör te es krusteln, dann das Klappern einer Computertastatur. »Ein Junge, Identität ungeklärt, Anfang zwanzig, Jeansanzug …«
    »Ich habe die Zeitung gelesen«, unterbrach ich. »Wurde ein Messer am Tatort gefunden?«
    »Soweit ich weiß, nicht. Was hat Ihnen denn die Polizei gesagt?«
    »Nichts.«
    »Dann haben die auch kein Messer gefunden. Warum sollten sie das verschweigen?«
    »Aus ermittlungstaktischen Gründen?«, schlug ich vor.
    Krk hustete, nein, er lachte. »Ach Gott. Wenn Sie den Täter schon haben, wozu dann noch Ermittlungstaktik. Und nun sagen Sie mal, was Sie wissen.«
    »Noch weniger.«
    »Ein bisschen müssten Sie mir schon entgegenkommen.«
    »So sehen Sie aus!«
    »Dann«, sagte er,

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