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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Lauf der Jahre hatte er gelernt, dass die Leute sich immer nur an seine strahlenden blauen Augen erinnerten, die durch seinen blassen Teint noch betont wurden. Auch Ambrose’ Augen waren einprägsam, aber nur, weil sie eine Sanftheit erahnen ließen, die sonst nirgends an seinem Auftreten wahrzunehmen war. Die meisten Leute übersahen das, glaubte Tony. Sie waren zu geblendet vom oberflächlichen Eindruck. Er fragte sich, ob die Kellnerin es bemerkt hatte.
    Ambrose kam mit einem frischen Glas Bier zurück. »Wollen Sie heute Abend nichts trinken?«
    Tony schüttelte den Kopf. »Ich fahre noch nach Bradfield zurück.«
    Ambrose schaute auf seine Uhr. »So spät? Es ist ja schon nach zehn.«
    »Ich weiß. Aber um diese Zeit ist wenig Verkehr. Da kann ich in weniger als zwei Stunden zu Hause sein. Ich muss morgen in Bradfield Moor noch mit Patienten sprechen. Die letzten Termine, bevor ich sie an jemand anderen abgebe. Und ich hoffe, man wird berücksichtigen, dass sie verkorkste Problemfälle sind. Es ist weniger Stress, abends zu fahren. Nachtmusik und leere Straßen.«
    Ambrose lachte vor sich hin. »Klingt wie ein Countrysong.«
    »Manchmal kommt es mir vor, als wäre mein ganzes Leben ein Countrysong«, murmelte Tony. »Und keiner von den optimistischen.« Während er noch sprach, meldete sich sein Handy. Er tastete hektisch seine Kleider ab und zog es schließlich aus der vorderen Tasche seiner Jeans. Die Nummer auf dem Display erkannte er nicht, stellte aber seine Zweifel zurück. Wenn jemand vom Personal in Bradfield Moor Probleme mit einem der Verrückten hatte, rief man ihn manchmal auf dem Handy an. »Hallo?«, fragte er zurückhaltend.
    »Ist dort Dr. Hill? Dr. Tony Hill?« Es war eine Frauenstimme, die ihm irgendwie bekannt vorkam, die er aber nicht zuordnen konnte.
    »Wer spricht dort?«
    »Penny Burgess, Dr. Hill. Von der Evening Sentinel Times. Wir haben schon häufiger miteinander gesprochen.«
    Penny Burgess. Er erinnerte sich an eine Frau im Trenchcoat, den Kragen im Regen hochgeschlagen, mit knallharter Miene und widerspenstigem langem dunklem Haar. Außerdem fiel ihm ein, dass er in den von ihr verfassten Artikeln verschiedene Verwandlungen durchgemacht hatte von einem allwissenden Weisen zu einem Idioten, der als Sündenbock herhalten musste. »Nicht so oft wie Sie Ihren Lesern gern vormachen.«
    »Ich tue doch nur meine Arbeit, Dr. Hill.« Sie klang viel herzlicher, als es durch die gemeinsamen Erfahrungen gerechtfertigt war. »Es ist wieder eine Frau in Bradfield ermordet worden«, fuhr sie fort. Zum Smalltalk taugte sie genauso wenig wie er, dachte Tony und versuchte zu ignorieren, was sie durchblicken ließ. Als eine Reaktion von ihm ausblieb, fügte sie hinzu: »Eine Prostituierte, genau wie die beiden letzten Monat.«
    »Tut mir leid, das zu hören«, äußerte Tony so vorsichtig, als bewege er sich in einem Minenfeld.
    »Also, weshalb ich Sie anrufe … Mein Informant sagte mir, dass der Fall die gleiche Handschrift trägt wie die beiden vorherigen. Ich frage mich, was Sie davon halten?«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen. Zurzeit habe ich keinen Auftrag von der Kripo Bradfield.«
    Aus Penny Burgess’ Kehle stieg ein glucksender Laut auf, fast wie ein leises Lachen. »Ich bin sicher, dass Ihre Kontakte mindestens so gut sind wie meine«, erwiderte sie. »Ich glaube nicht, dass Detective Chief Inspector Jordan über die Sache nicht informiert ist, und wenn sie Bescheid weiß, dann tun Sie das auch.«
    »Sie haben eine merkwürdige Vorstellung von meiner Welt«, antwortete Tony resolut. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.«
    »Ich spreche von einem Serienmörder, Dr. Hill. Und wenn es um Serientäter geht, sind Sie im Spiel.«
    Abrupt beendete Tony das Gespräch und schob sein Handy in die Tasche zurück. Als er aufschaute, traf er auf Ambrose’ fragenden Blick. »Schmierfink von der Presse«, sagte er und nahm einen Schluck Bier. »Na ja, eigentlich nicht. Sie ist schon etwas besser. Carols Team hat sie schon öfter ganz schön dumm dastehen lassen, aber sie tut einfach, als sei das ein Berufsrisiko.«
    »Immerhin …«, sagte Ambrose.
    Tony nickte. »Stimmt. Man kann diese Leute respektieren, ohne dass man bereit ist, sie einzuweihen.«
    »Was wollte sie denn?«
    »Sie wollte mich aushorchen. Wir hatten in den letzten Wochen in Bradfield zwei Morde an Prostituierten. Jetzt gibt es einen dritten Fall. Soweit ich wusste, gab es keinen Grund, zwischen den beiden

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