Vergessene Stimmen
Burkhart das Wort ab und sagte: ›E gal, worum es geht, sprich am Telefon nicht drüber.‹ Darauf haben sie sich verabredet, sobald Mackeys Schicht beendet ist.«
»Wo?«
»So, wie es sich angehört hat, im Haus. Mackey sagte: ›Bist du dann noch auf?‹, und Burkhart sagte Ja. Dann sagte Mackey: ›Was ist mit Belinda? Ist sie noch da?‹ Und darauf sagte Burkhart, sie würde dann schon schlafen und er sollte sich ihretwegen keine Gedanken machen. Damit legten sie auf.«
Mit einem Schlag sah Bosch alle seine Hoffnungen zunichte gemacht, den Fall noch in dieser Nacht zum Abschluss bringen zu können. Falls sich Mackey im Haus mit Burkhart traf, könnten sie nicht hören, was dort gesprochen wurde. Sie wären ausgeschlossen von dem Geständnis, dessentwegen sie das Ganze inszeniert hatten.
»Geben Sie mir Bescheid, wenn er noch mit jemand anders telefoniert«, sagte er rasch und beendete das Gespräch.
Er sah Rider an, die erwartungsvoll im Dunkeln saß.
»Nicht gut?«, fragte sie. Offensichtlich hatte sie aus seinem Ton etwas herausgehört, als er mit Nord gesprochen hatte.
»Nein, nicht gut.«
Er erzählte ihr von den Anrufen und den Problemen, die sie bekämen, wenn sich Mackey mit Burkhart traf, um den drohenden »Ärger« hinter verschlossenen Türen zu besprechen.
»Das ist keineswegs nur schlecht, Harry«, sagte sie, nachdem sie sich alles angehört hatte. »Er hat bei dieser Michelle Murphy ein richtiges Geständnis abgelegt und bei Burkhart ein Teilgeständnis. Wir sind nah dran. Verlier also deshalb nicht gleich den Mut. Lass uns lieber überlegen, wie wir sie dazu bringen können, sich außerhalb des Hauses zu treffen. In einem Starbucks oder so was Ähnlichem.«
»Ja, klar. Wo Mackey einen Latte macchiato bestellt.«
»Du weißt, was ich meine.«
»Selbst wenn es uns gelingt, sie aus dem Haus zu locken – wie wollen wir nah genug an sie rankommen? Das geht einfach nicht. Wir sind darauf angewiesen, dass er es am Telefon jemandem erzählt. Das ist die Schwachstelle unseres – meines – Plans.«
»Wir können hier nur sitzen und abwarten, was weiter passiert. Mehr können wir im Moment nicht tun. Es wäre natürlich schön, wenn wir mithören könnten, was die beiden reden, aber die Welt geht deshalb noch lange nicht unter. Wir haben bereits auf Band, wie Mackey am Telefon sagt, dass er vielleicht etwas unternehmen muss. Wenn er das tut, wenn er zum Beispiel untertaucht, könnte das von den Geschworenen als ein Zeichen dafür angesehen werden, dass er seine Schuld zu vertuschen versucht. Und das, zusammen mit dem, was wir bereits auf Band haben, könnte durchaus genügen, um mehr aus ihm herauszukitzeln, wenn wir ihn schließlich hopsnehmen. Es ist also noch keineswegs alles verloren, okay?«
»Okay.«
»Möchtest du, dass ich mich bei Abel melde? Er möchte sicher darüber informiert werden.«
»Klar. Meinetwegen, melde dich bei ihm. Es gibt zwar nichts zu melden, aber mach nur.«
»Reg dich erst mal wieder ab, Harry.«
Bosch blendete sie aus, indem er das Fernglas hob und wieder zu Mackey hinüberschaute, der immer noch am Schreibtisch saß, anscheinend in Gedanken versunken. Sein Kollege, vermutlich Kenny, saß mit nach hinten geneigtem Kopf auf einem anderen Stuhl und schaute auf den Fernseher. Er lachte über etwas, was er dort sah.
Mackey lachte nicht und sah auch nicht auf den Bildschirm. Sein Blick war gesenkt. Er betrachtete etwas in seiner Erinnerung.
Das Warten bis Mitternacht waren die längsten neunzig Observierungsminuten, die Bosch je hinter sich gebracht hatte. Während sie warteten, dass die Tankstelle schloss und Mackey zu seinem Treffen mit Burkhart fuhr, tat sich absolut nichts. Kein Telefon klingelte, Mackey bewegte sich nicht von seinem Platz am Schreibtisch, und Bosch fiel nichts ein, wie sie das Treffen unterbinden oder auf irgendeine Weise unterwandern könnten. Es war, als wären alle in Erstarrung versunken, bis es zwölf schlug.
Endlich verlosch die Außenbeleuchtung der Tankstelle, und die zwei Männer schlossen ab. Als Mackey nach draußen kam, hatte er die Zeitung dabei, die er nicht lesen konnte. Bestimmt würde er sie Burkhart zeigen und mit ihm über den Mord sprechen.
»Und wir müssen draußen bleiben«, murmelte Bosch, während er Mackey durch das Fernglas beobachtete.
Mackey stieg in seinen Camaro und ließ den Motor erst einmal laut aufheulen. Dann bog er in die Tampa ein und fuhr in Richtung Süden nach Hause, zu dem vereinbarten
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