Vergessene Welt
Stellen geritzt ist. Ich werde es nur schnell säubern.«
Er tränkte eine Gazekompresse mit Desinfektionsmittel. »Brennt vielleicht ein
bißchen.«
»Ist mir egal,
ich habe andere – Au!«
»Nicht bewegen«,
sagte Eddie. »Dauert nur eine Sekunde.«
»Es ist absolut
unnötig.«
»Halten Sie
still, ich hab’s gleich. So.« Er nahm die Kompresse vom Ohr. Levine sah braune
Flecken und eine hellrote Schliere. Wie er erwartet hatte, war die Wunde banal.
Er griff sich ans Ohr. Es tat überhaupt nicht weh.
Levine spähte
auf die Ebene hinaus, während Eddie den Erste-Hilfe-Koffer wieder zusammenpackte.
»Mein Gott, ist
das heiß hier oben«, sagte Eddie.
»Ja.« Levine
zuckte die Achseln.
»Sarah Harding
ist angekommen, und ich glaube, sie haben sie zum Caravan gebracht. Wollen Sie
jetzt auch zurück?«
»Ich kann mir
nicht vorstellen, warum.«
»Ich habe mir
gedacht, Sie wollen vielleicht Hallo sagen oder so.«
»Meine Arbeit
ist hier«, sagte Levine. Er drehte sich um und hob das Fernglas an die Augen.
»Dann wollen Sie
also nicht mit zurückkommen?«
»Ich denke nicht
im Traum daran«, sagte Levine und starrte durchs Fernglas. »Nicht in einer Million
Jahren. Nicht in 65 Millionen Jahren.«
Caravan-Gespann
Kelly Curtis horchte auf das Geräusch
der Dusche. Sie konnte es nicht glauben. Sie starrte die schlammverkrustete
Kleidung an, die nachlässig hingeworfen auf dem Bett lag. Shorts und kurzärmeliges
Khaki-Hemd.
Sarah Hardings
Klamotten.
Kelly konnte
sich nicht mehr beherrschen. Sie mußte sie einfach berühren. Dabei fiel ihr
auf, wie abgenutzt und zerschlissen der Stoff war. Knöpfe waren angenäht, die
nicht zu den anderen paßten.
Und an der
Tasche sah sie einige rötliche Stellen, die aussahen wie alte Blutflecken. Sie
strich noch einmal über den Stoff –
»Kelly?«
Sarah Harding
rief aus der Dusche nach ihr.
Sie hat sich
meinen Namen gemerkt.
»Ja?« sagte
Kelly, und ihre Stimme verriet ihre Nervosität.
»Gibt’s hier
irgendwo Shampoo?«
»Ich schau mal
nach, Dr. Harding«, sagte Kelly und zog hastig Schubladen auf. Die Männer waren
alle ins Nebenabteil gegangen und hatten sie mit Sarah allein gelassen. Kelly
suchte verzweifelt, öffnete Schubladen und stieß sie wieder zu.
»Hör mal«, rief
Sarah, »wenn du keins findest, macht’s auch nichts.«
»Ich bin noch am
Suchen …«
»Gibt’s
vielleicht Spülmittel?«
Kelly hielt
inne. Neben dem Spülbecken stand eine grüne Plastikflasche. »Ja, Dr. Harding,
aber –«
»Gib’s mir. Ist
doch alles dasselbe. Mir macht das nichts aus.« Eine Hand tauchte am Rand des
Duschvorhangs auf. Kelly gab ihr die Flasche. »Übrigens, ich heiße Sarah.«
»Okay, Dr.
Harding.«
»Sarah.«
»Okay,
Sarah.«
Sarah Harding
war ein gewöhnlicher Mensch. Sehr ungezwungen und normal.
Wie verzaubert
saß Kelly auf der Bank im Küchenabteil, ließ die Füße baumeln und wartete, falls
Dr. Harding – Sarah – noch irgend etwas brauchte. Sie hörte Sarah
summen: »I’m gonna Wash That Man Right Out of My Hair.« Augenblicke
später wurde die Dusche abgestellt, die Hand tauchte wieder auf und nahm das
Handtuch vom Haken. Und dann trat sie, in das Handtuch gewickelt, heraus. Sarah
strich sich mit den Fingern durch die kurzen Haare, und das schien schon die
ganze Aufmerksamkeit zu sein, die sie ihrem Aussehen widmete. »Jetzt fühl ich
mich schon besser. Mann, ist das vielleicht ein feudaler Caravan. Der Doc hat
wirklich ganze Arbeit geleistet.«
»Ja«, sagte
Kelly. »Der ist toll.«
Sarah lächelte
Kelly an. »Wie alt bist du, Kelly?«
»13.«
»Was für eine
Klasse ist das, die achte?«
»Siebte.«
»Siebte Klasse«,
sagte Sarah nachdenklich.
Kelly sagte:
»Dr. Malcolm hat was zum Anziehen für Sie herausgelegt. Er hat gemeint, es wird
schon passen.« Sie zeigte ihr saubere Shorts und ein T-Shirt.
»Von wem sind
die?«
»Ich glaube, von
Eddie.«
Sarah hielt sie
in die Höhe. »Könnten passen.« Sie ging damit um die Ecke in den Schlafbereich
und zog sich an. »Was willst du werden, wenn du erwachsen bist?« fragte sie.
»Ich weiß noch
nicht«, sagte Kelly.
»Das ist eine
sehr gute Antwort.«
»Wirklich?«
Kellys Mutter drängte sie immer, sich einen Teilzeitjob zu suchen und zu entscheiden,
was sie mit ihrem Leben anfangen wolle.
»Ja«, sagte
Sarah. »Kein intelligenter Mensch weiß, was er tun will, bis er 20 oder 30
ist.«
»Oh.«
»Was würdest du
denn gern studieren?«
»Also eigentlich
mag ich
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