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Vergessene Welt

Vergessene Welt

Titel: Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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auf den Boden. Levine sprang zurück, um dem Strahl auszuweichen.
Hinter diesem Tier erkannte er eine von zahllosen Tierfüßen plattgetrampelte
Lichtung. Die Parasaurier hatten sich an verschiedenen Punkten der Lichtung
aufgestellt und urinierten gemeinsam.
    Es waren also
Latrinentiere. Das war faszinierend und völlig unerwartet.
    Viele
zeitgenössische Tiere, darunter Nashörner und Rotwild, zogen es vor, sich an
ganz bestimmten Stellen zu entleeren. Und häufig war das Verhalten der Herden
koordiniert. Latrinenverhalten wurde im allgemeinen als Methode zur territorialen
Markierung betrachtet. Doch was der Grund auch sein mochte, kein Mensch hatte erwartet,
daß auch Dinosaurier sich so verhielten.
    Levine
beobachtete, wie die Parasaurier zu Ende urinierten und dann jedes Tier ein
Stückchen zur Seite wich. Dann defäkierten sie, ebenfalls gleichzeitig. Jeder Parasaurier
produzierte einen großen Haufen strohfarbenen Kot. Begleitet wurde dies von
leisem Trompeten jedes Tieres der Herde – und dem Ausstoß von Unmengen von Darmgasen,
die nach Methan rochen.
    Hinter ihm
flüsterte eine Stimme: »Wirklich nett.«
    Er drehte sich
um und sah Eddie Carr auf dem Motorrad. Er wedelte mit der Hand vor dem Gesicht.
»Dinofürze«, sagte er. »Hier sollten Sie lieber kein Streichholz anzünden,
sonst fliegt alles in die Luft …«
    »Pst«, zischte
Levine verärgert und schüttelte den Kopf. Er drehte sich wieder zu den Parasauriern
um. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich von einem vulgären jungen
Trottel stören zu lassen. Einige der Tiere senkten die Köpfe und begannen, an
den Urinpfützen zu lecken. Sicher, um verlorene Nährstoffe wieder aufzunehmen,
dachte er. Salz vielleicht. Oder Hormone. Vielleicht war es jahreszeitlich
bedingt. Oder vielleicht –
    Levine schlich
sich ein Stückchen näher heran.
    Sie wußten ja so
wenig über diese Tiere. Nicht einmal die grundlegenden Tatsachen ihres Lebens
kannten sie – wie sie fraßen, wie sie sich entleerten, wie sie schliefen und
sich fortpflanzten. Eine ganze Welt von komplizierten, ineinandergreifenden
Verhaltensmustern hatte sich unter diesen längst ausgestorbenen Tieren entwickelt.
Sie zu begreifen konnte die Lebensarbeit von einem Dutzend Wissenschaftlern
werden. Aber dazu würde es wahrscheinlich nie kommen. Er konnte nur hoffen, ein
paar Theorien zu entwickeln, einige einfache Schlüsse zu ziehen, ein wenig an
der Oberfläche der Komplexität ihres Lebens zu kratzen.
    Die Parasaurier
trompeteten und drangen tiefer in den Wald ein. Levine setzte sich in Bewegung,
um ihnen zu folgen.
    »Dr. Levine«,
sagte Eddie leise. »Steigen Sie aufs Motorrad. Sofort .«
    Levine
ignorierte ihn zunächst, doch als die großen Tiere verschwunden waren, sah er,
daß Dutzende winziger grüner Tiere zwitschernd auf die Lichtung hüpften. Er
erkannte sofort, worum es sich handelte: Procompsognathus triassicus .
Kleiner Aasfresser, von Fraas 1913 in Bayern entdeckt. Levine sah die grünen
Wesen fasziniert an. Natürlich kannte er dieses Tier gut, aber nur aus
Rekonstruktionen, weil es nirgendwo auf der Welt ein komplettes Procompsognathus-Skelett
gab. Ostrom hatte die umfassendste Studie verfaßt, aber er hatte mit einem
stark beschädigten, fragmentarischen Skelett arbeiten müssen. Schwanz, Hals und
Vorderläufe fehlten an dem Tier, das er beschrieben hatte. Doch hier waren sie,
eine ganze Gruppe von Procompsognathiden, voll ausgebildet und aktiv, und
hüpften herum wie Hühner. Er konnte beobachten, wie die Compys den frischen Kot
fraßen und vom Urin soffen. Levine runzelte die Stirn. Gehörte das zum gewöhnlichen
Aasfresserverhalten?
    Levine war sich
nicht sicher …
    Er schlich sich
näher heran, um sie eingehender zu betrachten.
    »Dr. Levine!«
flüsterte Eddie.
    Es war
interessant, daß die Compys nur frischen Kot fraßen und nicht die vertrockneten
Überreste, die überall herumlagen. Welche Nährstoffe sie auch aus dem Kot
zogen, sie konnten nur in frischen Haufen vorhanden sein. Vielleicht sollte er
sich eine Probe zur Analyse besorgen. Er griff in seine Brusttasche und zog ein
Plastiktütchen heraus. Dann trat er mitten zwischen die Compys, die ihn gar
nicht zu beachten schienen.
    Er kauerte sich
vor den ersten Haufen und streckte langsam die Hand aus.
    »Dr. Levine!«
    Er drehte sich
um, und in diesem Augenblick sprang einer der Compys auf ihn zu und biß ihn in
die Hand. Ein anderer sprang ihm auf die Schulter und biß ihn ins Ohr. Levine
schrie auf. Die

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