Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergessene Welt

Vergessene Welt

Titel: Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
Vom Netzwerk:
Mathe«, sagte sie mit einem Anflug von Schuldbewußtsein in der Stimme.
    Sarah mußte das
wohl mitbekommen haben, denn sie fragte: »Was ist denn schlecht an Mathe?«
    »Na ja,
normalerweise sind Mädchen nicht gut in Mathe. Ich meine, Sie wissen schon.«
    »Nein, das weiß
ich nicht.« Sarahs Stimme klang ausdruckslos.
    Kelly spürte
Panik in sich aufsteigen. Bis jetzt hatte sie von Sarah Harding nur Herzlichkeit
gespürt, doch die schien sich nun aufzulösen, als hätte Kelly einer mißtrauischen
Lehrerin eine falsche Antwort gegeben. Sie beschloß, nichts mehr zu sagen. Und
wartete schweigend ab.
    Einen Augenblick
später kam Sarah in Eddies schlabberigen Sachen wieder um die Ecke. Sie setzte
sich und zog ein paar Stiefel an. Ihre Bewegungen waren sachlich, normal. »Was
meinst du damit, daß Mädchen nicht gut in Mathe sind?«
    »Na, das sagt
doch jeder.«
    »Wie wer zum
Beispiel?«
    »Meine Lehrer.«
    Sarah seufzte.
»Klasse«, sagte sie kopfschüttelnd. »Deine Lehrer …«
    »Und die anderen
Kinder nennen mich eine Streberin. Und solche Sachen. Sie wissen schon.« Kelly
war einfach damit herausgeplatzt. Sie konnte nicht glauben, daß sie das alles
zu Sarah Harding sagte, die sie doch nur von Fotos und aus Artikeln kannte, und
trotzdem erzählte sie ihr all diese persönlichen Dinge. All die Dinge, die sie
aufregten.
    Sarah lächelte
fröhlich. »Na, wenn sie das sagen, dann mußt du ja ziemlich gut in Mathe sein,
was?«
    »Ich glaub
schon.«
    Sarah lächelte.
»Das ist doch wunderbar, Kelly.«
    »Aber die Sache
ist die, daß die Jungs keine Mädchen mögen, die zu gescheit sind.«
    Sarah hob die
Augenbrauen. »Wirklich?«
    »Na ja, das sagt
zumindest jeder …«
    »Wer zum
Beispiel?«
    »Meine Mom zum
Beispiel.«
    »Aha. Und sie
weiß wahrscheinlich, wovon sie redet.«
    »Weiß ich
nicht«, sagte Kelly. »Eigentlich geht meine Mom nur mit Trotteln aus.«
    »Dann könnte sie
also unrecht haben?« fragte Sarah und sah zu Kelly hoch, während sie sich die
Stiefel zuschnürte.
    »Glaub schon.«
    »Also, meiner
Erfahrung nach mögen einige Männer intelligente Frauen und andere nicht. Das
ist wie mit allem anderen auf der Welt.« Sie stand auf. »Schon mal was von
George Schaller gehört?«
    »Klar. Der hat
Pandas studiert.«
    »Richtig.
Pandas, und davor Schneeleoparden und Löwen und Gorillas. Er ist der wichtigste
Tierforscher des 20. Jahrhunderts – und weißt du, wie er arbeitet?«
    Kelly schüttelte
den Kopf.
    »Bevor George zu
einer Expedition aufbricht, liest er alles, was über das Tier, das er studieren
will, geschrieben wurde. Populärwissenschaftliche Bücher, Zeitungsberichte,
wissenschaftliche Artikel, alles. Und dann geht er hin und beobachtet selber
das Tier. Und weißt du, was er normalerweise herausfindet?«
    Sie schüttelte
den Kopf, weil sie sich nicht traute zu antworten.
    »Daß fast alles,
was darüber geschrieben oder gesagt wurde, falsch ist. Wie über den Gorilla zum
Beispiel. Schon zehn Jahre, bevor Dian Fossey überhaupt daran dachte, hat
George die Berggorillas studiert. Und dabei fand er heraus, daß alles, was man
bis dahin über die Gorillas gedacht hatte, übertrieben, mißverstanden oder
einfach nur Einbildung gewesen war – zum Beispiel die Behauptung, auf Gorillaexpeditionen
dürfe man keine Frauen mitnehmen, weil die Gorillas sie vergewaltigen würden.
Falsch. Alles … einfach … falsch.«
    Sarah hatte die
Stiefel zugebunden und stand auf.
    »Also Kelly,
auch wenn du noch so jung bist, eins kannst du ruhig gleich lernen. Dein ganzes
Leben lang werden Leute versuchen, dir etwas einzureden. Und fast alles davon,
ungefähr 95 Prozent, ist falsch.«
    Kelly sagte
nichts. Was sie eben gehört hatte, entmutigte sie.
    »Das ist eine
Tatsache des Lebens«, sagte Sarah. »Menschen werden vollgestopft mit Fehlinformationen.
Deshalb ist es schwer herauszufinden, wem man glauben kann. Ich weiß, wie’s dir
geht.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Meine Mom
hat mir immer gesagt, daß aus mir nie was wird.« Sie lächelte. »Und einige meiner
Professoren ebenfalls.«
    »Tatsächlich?«
Es schien unmöglich.
    »O ja«, sagte
Sarah. »Genaugenommen –«
    Vom anderen Teil
des Gespanns drang Malcolms Stimme zu ihnen herüber. »Nein! Nein! Diese
Idioten! Die könnten alles ruinieren!«
    Sarah drehte
sich sofort um und ging ins Nebenabteil. Kelly sprang auf und lief ihr nach.
     
    Die Männer drängten sich vor dem
Monitor. Alle redeten gleichzeitig, sie schienen sehr aufgeregt zu sein. »Das
ist

Weitere Kostenlose Bücher