Vergessene Welt
stand in einem merkwürdigen Winkel ab. »Ich glaube, das
linke Bein ist verletzt.«
Eddie kam zu ihr
und sah es sich an. »Ist es gebrochen?«
»Ja,
wahrscheinlich, aber –«
»He!« rief
Eddie. Das Baby schnellte vor und verbiß sich in seinem Stiefel. Er zog den Fuß
weg und schleifte das Baby nach, das seinen Biß nicht lockerte. »He! Laß los!«
Eddie hob das
Bein und schüttelte es, aber das Baby ließ nicht los. Er riß noch einmal den
Fuß nach hinten und ließ es dann sein. Jetzt lag das Kleine einfach nur da,
sein Atem ging flach, doch der Biß lockerte sich nicht. »Ach du meine Güte«,
sagte Eddie.
»Aggressiver
kleiner Kerl, was?« sagte Sarah. »Schon von Geburt an …«
Eddie sah sich
die winzigen, rasiermesserscharfen Zähne an; sie hatten das Leder nicht durchstoßen.
Das Baby ließ nicht locker. Mit dem Kolben seines Gewehrs stieß er ihm ein
paarmal gegen den Kopf. Es hatte überhaupt keine Wirkung. Flach atmend lag das
Baby auf der Erde, starrte langsam blinzelnd mit seinen großen Augen zu Eddie
hoch, ließ aber seinen Stiefel nicht los.
Aus nördlicher
Richtung drang das entfernte Brüllen der Eltern zu ihnen. »Laßt uns von hier
verschwinden«, sagte Malcolm. »Wir haben gesehen, was wir sehen wollten. Wir
müssen herausfinden, wo Dodgson abgeblieben ist.«
»Ich glaube, ich
habe auf dem Pfad Reifenspuren gesehen«, sagte Thorne. »Vielleicht sind sie den
hochgefahren.«
»Dann sehen wir
besser nach.« Sie wandten sich zum Gehen.
»Moment mal«,
sagte Eddie und sah zu seinem Stiefel hinunter. »Was soll ich mit dem Kleinen
machen?«
»Erschießen«,
sagte Malcolm über die Schulter.
»Sie meinen
umbringen?«
»Es hat ein
gebrochenes Bein, Eddie«, sagte Sarah. »Es wird sowieso sterben.«
»Schon, aber –«
Thorne rief:
»Wir fahren den Pfad hoch, Eddie, und wenn wir Dodgson nicht finden, nehmen wir
die Gratstraße, die zum Labor führt. Und von dort dann zum Caravan.«
»Okay, Doc. Ich
bin direkt hinter Ihnen.« Eddie hob das Gewehr, drehte es in den Händen.
»Tun Sie’s
gleich«, sagte Sarah und stieg in den Explorer. »Weil Sie nämlich besser nicht
hier sind, wenn Mama und Papa zurückkommen.«
Des Spielers Ruin
Während sie den Pfad entlangfuhren,
behielt Malcolm den Monitor am Armaturenbrett im Auge, auf dem sich die Bilder
verschiedener Kameras abwechselten. Er suchte nach Dodgson und dem Rest seiner
Truppe.
Über Funk sagte
Levine: »Wie schlimm ist es?«
»Sie haben ein
Ei mitgenommen«, sagte Malcolm. »Und wir mußten eins der Babys erschießen.«
»Ein Verlust von
zwei also. Aus einer Gesamtbrut von – was, sechs?«
»Ja.«
»Offen gesagt,
ich glaube, das ist von untergeordneter Bedeutung«, sagte Levine. »Solange ihr
diese Leute davon abhalten könnt, noch mehr zu nehmen.«
»Wir sind gerade
auf der Suche nach ihnen«, erwiderte Malcolm düster.
»So etwas mußte
passieren, Ian«, sagte Sarah. »Du weißt doch, daß du nicht erwarten kannst,
Tiere zu beobachten, ohne irgend etwas zu ändern. Das ist eine wissenschaftliche
Unmöglichkeit.«
»Natürlich ist
es das«, sagte Malcolm. »Das ist die größte wissenschaftliche Erkenntnis des
20. Jahrhunderts. Man kann nichts studieren, ohne es zu verändern.«
Seit Galilei
hatten Naturwissenschaftler nach der Überzeugung gehandelt, sie seien objektive
Beobachter der natürlichen Welt. Das zeigte sich in jedem Aspekt ihres Verhaltens,
sogar an der Art, wie sie ihre wissenschaftlichen Artikel schrieben und dabei
Formulierungen benutzten wie »Es wurde beobachtet …«, als hätte kein konkreter
Mensch es beobachtet. 300 Jahre lang war die Unpersönlichkeit das Markenzeichen
der Naturwissenschaft. Naturwissenschaft war objektiv, und der Beobachter hatte
keinen Einfluß auf die Ergebnisse, die er oder sie beschrieb.
Diese
Objektivität unterschied die Naturwissenschaft von den Geisteswissenschaften
oder von der Theologie – Bereichen, in denen der Beobachterstandpunkt in den
Gegenstand integriert war, in denen der Beobachter unauflöslich mit den beobachteten
Ergebnissen verbunden war.
Aber im 20.
Jahrhundert war dieser Unterschied verschwunden. Die naturwissenschaftliche Objektivität
verschwand, sogar aus der Grundlagenforschung. Physiker erkannten, daß sie nie
ein einzelnes Elementarteilchen beobachten konnten, ohne es gleichzeitig zu
stören. Wenn man dem Teilchen mit Instrumenten zu Leibe rückte, um seine
Position zu messen, veränderte man seine Geschwindigkeit. Wenn man
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