Vergessene Welt
Echsen,
die den Fluß überquerten. Sie gingen aufrecht, mit eigentümlich hüpfenden
Bewegungen. Ihre Körper spiegelten sich im Wasser des Flusses. Sie rissen die
langen Mäuler auf und zischten King drohend an.
Er schaute
flußaufwärts und sah eine weitere Echse den Wasserlauf überqueren und dahinter
noch eine. Diese Tiere waren bereits tief im Wasser und hatten angefangen zu
schwimmen.
Howard King wich
vom Fluß zurück und drückte sich rückwärts ins hohe Gras. Dann drehte er sich
um und rannte los. Schwer atmend lief er, so schnell er konnte, durchs
brusthohe Gras, als plötzlich ein weiterer Echsenkopf zischend und fauchend vor
ihm auftauchte. King wich aus und wechselte die Richtung, doch plötzlich sprang
die Echse in die Luft. Sie sprang so hoch, daß ihr Körper sich über das Gras
erhob; er konnte das ganze Tier durch die Luft fliegen sehen, die Hinterläufe
zum Schlag erhoben. Und er sah geschwungene, dolchähnliche Klauen.
King schlug noch
einen Haken, und die Echse landete kreischend hinter ihm auf der Erde und
purzelte durchs Gras. King lief weiter. Die nackte Angst trieb ihn vorwärts.
Hinter sich hörte er die Echse fauchen. Er rannte schnell: Vor ihm lagen noch
20 Meter grasbewachsene Ebene, dann begann der Dschungel. Vielleicht konnte er
ja auf einen der großen Bäume vor ihm klettern und sich so in Sicherheit bringen.
Links von sich
sah er eine weitere Echse, die quer über die Lichtung auf ihn zukam. Er sah nur
den Kopf über dem hohen Gras. Das Tier schien sich unglaublich schnell zu bewegen. Ich schaff das nicht, dachte er.
Aber er würde es
versuchen.
Keuchend und mit
brennenden Lungen lief er auf die Bäume zu. Nur noch zehn Meter. Arme und Beine
flogen. Sein Atem kam in abgehackten Stößen.
Plötzlich traf
ihn von hinten etwas Schweres und warf ihn zu Boden. Er spürte einen brennenden
Schmerz, der sein Rückgrat entlangzuckte, und er wußte, das waren die Klauen,
die sich in sein Fleisch bohrten. Er traf hart auf und versuchte abzurollen,
aber das Tier auf seinem Rücken nagelte ihn fest, er konnte sich nicht bewegen.
Er lag flach auf dem Bauch, hörte das Fauchen des Tiers in seinem Nacken. Der
Schmerz in seinem Rücken war unerträglich, er raubte ihm fast das Bewußtsein.
Plötzlich überkam ihn eine Mattigkeit, eine tiefe und willkommene Müdigkeit.
Der Schmerz war ihm mit einemmal beinahe egal, und es machte ihm fast nichts,
daß sein Nacken schon zwischen den scharfen Zähnen des Tiers steckte. Es war,
als würde es einem anderen passieren. Er war viele Meilen entfernt. Kurz überraschte
es ihn, als er die Knochen in seinem Genick laut krachen hörte –
Und dann
Schwärze.
Nichts.
»Nicht hinsehen«, sagte Thorne und
drehte Arby vom Geländer des Hochstands weg. Er drückte sich den Jungen an die
Brust, aber Arby riß sich ungeduldig los, um zuzusehen, was da unten vor sich
ging. Thorne griff nach Kelly, aber sie wich ihm aus und starrte auf die Ebene
hinunter.
»Nicht
hinsehen«, sagte Thorne immer wieder. »Nicht hinsehen.«
Doch die Kinder
schauten stumm zu.
Levine richtete sein Fernglas auf den
Ort der Tötung. Jetzt drängten sich bereits fünf Raptoren fauchend um die Leiche
des Mannes und zerrten wütend daran. Eins der Tiere riß den Kopf hoch, ein
Fetzen blutgetränkten Stoffs hing ihm aus den Fängen, ein fransiges Stück des
Hemdkragens. Ein anderer Raptor hatte den abgetrennten Kopf des Mannes im Maul,
schüttelte ihn, ließ ihn schließlich fallen. Donner grollte, ein Blitz zerriß
den Himmel. Es wurde allmählich dunkel, und Levine konnte nicht mehr genau
erkennen, was passierte. Aber es war deutlich, daß die hierarchische Ordnung,
die das Jagdverhalten dieser Tiere bestimmte, beim Kampf um die Beute keine
Bedeutung mehr hatte.
Nun hieß es,
jedes Tier für sich; wild hin und her hüpfend und mit hektisch wippenden Köpfen
zerfetzten die rasenden Tiere die Leiche, immer wieder kam es zu Beißereien und
Kämpfen untereinander. Ein Tier richtete sich plötzlich auf, und Levine sah,
daß es etwas Braunes zwischen den Zähnen hatte. Mit einem komischen Ausdruck im
Gesicht kaute es darauf herum. Dann wandte es sich vom Rudel ab und hielt den
braunen Gegenstand behutsam in den Vorderläufen. In der Dämmerung brauchte
Levine einige Sekunden, bis er erkannte, was das Tier tat: Es fraß einen
Schokoriegel. Und er schien ihm zu schmecken.
Schließlich
kehrte der Raptor zurück und vergrub seine lange Schnauze in der Leiche. Nun
kamen noch andere
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